Innovation aus dem Sprachschatz streichen

Von Brigitte Pilz · · 1999/01

Kein Zweifel: Manch alter Plunder gehört in der Entwicklungspolitik über Bord geworfen. Trotzdem muß man nicht glauben, mit Innovation könnte irgendetwas dauerhaft und grundlegend verbessert werden.

Zum Jahresbeginn schrieb der deutsche Publizist Reinhard Kahl in der Berliner taz einen Kommentar über „Innovation“. Dieses Wort taucht in den letzten Jahren wie eine Beschwörungsformel in Werbung und Parteiprogrammen jeder politischen Richtung auf. Kahl entlarvt Innovation als gezinktes Wort, weil es zunehmend immer dort verwendet wird, wo Erneuerung notwendig wäre, aber verweigert wird.

Erneuerung sei ohne das Sterben des Alten, ohne Geburtswehen, ohne den Schritt ins Leere und die Angst davor nicht zu haben. Innovation suggeriere, daß eine bessere Zukunft ohne diese Radikalität möglich wäre. Sie reduziere Phantasie auf Technik, delegiere auf Produkte, wo es um Beziehungen gehen sollte. So würden Scheinlösungen angeboten.

Wolfgang Frühwald, der ehemalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, hat ein Beispiel genannt: Unter Erneuerung verstehe er nicht ein verbessertes Auto, sondern ein revolutionäres Verkehrssystem.

Unser Thema ist die Entwicklungspolitik in all ihren Facetten. Seit Jahrzehnten betreibt die internationale Gemeinschaft dieses „Geschäft“ ohne durchschlagenden Erfolg, muß man nüchtern feststellen. Wenngleich manche Zahlen und Statistiken Positives widerspiegeln: Weder wurde der Hunger ausgerottet, noch Analphabetismus, noch ungerechte Güter- und Chancenverteilung, weder Seuchen, noch Krieg.

Erneuerung ist im Umgang zwischen Nord und Süd, in der Politik, die sich der Entwicklung verschrieben hat, dringend nötig. Ich meine Erneuerung und nicht Innovation im oben kritisierten Sinn. In der Realität zeigt sich nämlich, daß so manche Reform auch in der Entwicklungspolitik mehr die Unwilligkeit für Veränderungen preisgibt als den Willen, Neues zu schaffen. Es ist doch wirklich nur Kosmetik, bestimmte Südfrüchte in einen Freihandelsvertrag reinzunehmen oder Schuldendienste um ein paar Prozentpunkte zu reduzieren. Es braucht vielmehr einen neuen internationalen Gesellschaftsvertrag. Alle Beziehungen zwischen Besitzenden und Habenichtsen sollten auf eine neue Basis gestellt werden, eine Basis, die von Gleichberechtigung geprägt ist.

Das alles ist sehr idealistisch, ich weiß. Der Teufel steckt im Detail.

Es gibt einen Anlaß, in diesen Tagen den Blick auf das Ganze zu richten. Vor genau zwanzig Jahren wurde der ÖIE, der Österreichische Informationsdienst für Entwicklungspolitik, gegründet. Für viele war diese Organisation im Laufe der Zeit Stachel im Fleisch. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden als Sozialromantiker „beschimpft“. Eine Reihe erfolgreicher Aktionen und Aktivitäten sprechen für sich. Natürlich hat es auch Rückschläge gegeben. Es war und ist aber für diese Organisation bezeichnend, daß immer wieder Gesamtzusammenhänge aufgegriffen worden sind und das Beziehungsgeflecht zwischen den Menschen thematisiert wurde. Heute heißt der ÖIE Südwind-Entwicklungspolitik. Die Arbeit hat sich im Laufe der Jahre verändert, vieles wurde „professionalisiert“, mit manchen Schwächen kämpft man nach wie vor.

Wenn ich dieser Organisation zum Jubliläum etwas wünschen darf – jetzt, wo ich als ehemaliges Vorstandsmitglied nicht mehr ganz so eng wie früher Teil davon bin -, so ist es der Mut zur Erneuerung: den scharfen Blick dafür, was man sterben lassen sollte; immer wieder Anfänger sein zu können, Anfänger auf einem jeweils höheren Niveau; das Akzeptieren der Angst vor dem Sprung ins Leere und den Glauben, daß dem Mutigen dabei Flügel wachsen.

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