Jeder Tag ein Hochseilakt

Von Brigitte Pilz · · 1999/01

Arbeitsplätze sind heutzutage überall rar. Auch in Kap Verde. Die Lösung wird vielfach im selbständigen Unternehmertum gesehen,wie zum Beispiel beim Projekt TransFORM der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. SÜDWIND-Autorin Brigitte Pilz hat es si

Um 3 Uhr in der Nacht hatten wir unser Lager noch immer voll. Wir hatten um 9 Escudos das Stück eingekauft, einem Verkauf von weniger als 10 Escudos konnten wir unmöglich zustimmen.“ Schließlich, um 5 Uhr früh, hatte Xandas Gruppe verloren. Sie war auf ihren Waren sitzen geblieben. Die anderen hatten um 5 Escudos das Stück verkauft. Übung in praktischer Marktstrategie im Rahmen einer Ausbildung von UnternehmensberaterInnen in Kap Verde.

Das wirkliche Leben der meisten Kleinst- und KleinunternehmerInnen gleicht in Kap Verde einem Hochseilakt, bei dem man täglich abstürzen kann. Trotzdem boomt der Sektor. Handelsbetriebe werden gegründet, Schneidereien, Tischlereien, Friseurläden, Fotogeschäfte. Der Übergang zum informellen Sektor ist fließend. Doch so rasch sie kommen, verschwinden viele wieder, weil die Voraussetzungen ungenügend waren: zu wenig Informationen über den Markt und seine Mechanismen; keine Ausbildung in Buchhaltung und Kalkulation; kaum Kapital für Geschäftsausstattung oder kostengünstige Lagerhaltung.

Vielen bleibt keine andere Wahl, als es mit einem eigenen Betrieb zu versuchen, denn die Arbeitslosigkeit beträgt cirka 26%. Auch politisch ist Privatisierung angesagt, seit die sozialistische Einheitspartei PAICV im Jahre 1991 bei den ersten Wahlen haushoch gegen die neoliberale MPD verloren hat.

Bernd Weber, Organisationsberater und langjähriger Kap-Verde-Aktivist, ist seit vier Jahren in der Projektarbeit auf der Insel Santiago tätig. Er meint: „Es gibt das Bekenntnis zur Förderung des Privatsektors. Aber es fehlt die klare Strategie dazu. Man hat den Eindruck, das zuständige regierungsnahe Institut IEFP (Instituto de Emprego e Formaçăo Profissional) akkumuliert mehr Kontrolle über Fördermittel als daß es berät und fördert.“

Der Bedarf an gut ausgebildeten UnternehmensberaterInnen ist in Kap Verde also durchaus gegeben. Dem hat das österreichische Entwicklungsprojekt TransFORM Rechnung getragen, das von 1995 bis Ende 1998 durchgeführt wurde. Projektträger war die Wiener Beratungsfirma TRAIN GmbH mit ihrem neu gegründeten internationalen Zweig, als dessen Geschäftsführer Bernd Weber fungiert.

Zwei Jahre lang wurde eine Gruppe von 58 Personen von allen Inseln in systemisch orientierten Seminaren in die neuesten Erkenntnisse und Methoden moderner Unternehmensberatung eingeführt.

Xanda hatte keine einschlägige Erfahrung. Manuel Afonso hingegen berät seit etlichen Jahren im Rahmen seiner Anstellung bei der Animaçăo Rural Bauerngruppen. Miluci kam von der Frauenorganisation der MPD und Dona Maria José von jener der PAICV. Es gab etliche Ausfälle, besonders unter jenen, die freiberuflich agieren und nicht von einer Organisation freigestellt wurden.

Bernd Weber bemerkt dazu: „Leider hat das IEFP nicht wie ausgemacht die Freiberufler finanziell besonders unterstützt. Dabei war gerade dafür extra eine Million Schilling aus den Erlösen der von Österreich an Kap Verde geleisteten Nahrungsmittelhilfe gewidmet worden.“

Abverlangt hat man den TeilnehmerInnen genug. Zwischen den Seminaren standen praktische Übungen auf dem Lehrplan. „Wir mußten uns selbst Kleinunternehmen suchen und für sie Beratungskonzepte ausarbeiten, die dann diskutiert wurden.“

Eine Gruppe hat zum Beispiel eine Keramikproduktion von Frauen in Tarrafal auf der Insel Santiago beraten, die wenig Zukunftsperspektiven hat, weil die Jungen abgesprungen sind. Das Einkommen ist ihnen zu gering. Eine andere Gruppe arbeitete mit Fischern zusammen. Die Umsetzung der ausgetüftelten Pläne scheitert letztlich meistens am Geldmangel.

Xanda kennt einige Frauen, die Beratung brauchen könnten. Allerdings „dafür zu bezahlen, das sehen sie nicht ein oder können es sich absolut nicht leisten“.

Das Ziel von TransFORM selbst war es nicht, eine Schiene hin zu den Unternehmen zu legen, obwohl es von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit als Projekt der Förderung von Micro- und Kleinunternehmen geführt wird. Aus vielen gescheiterten Projekten weiß man inzwischen gut, daß der Trickle-down-Effekt nicht funktioniert. Es braucht vielmehr eine klare Planung dafür, wie eine Wirkung auf die eigentliche Zielgruppe – hier die UnternehmerInnen – erzielt werden soll.

TransFORM war lediglich Vorarbeit dazu, indem die BeraterInnen in den Praktika Kontakte aufbauten. Inwieweit die Ausbildung adäquat war, kann nur die vorgesehene Evaluierung der Auswirkungen klären. Denn man fragt sich unwillkürlich, ob denn für die Beratung eines Tischlers aus einer Kleinstadt, der mit ein, zwei Gehilfen und einfachster Ausstattung ein Unternehmen gründen will, die gleich komplexe Ausbildung unternehmensberaterischer Erkenntnisse erforderlich ist wie für die Beratung eines Mittelbetriebes, egal ob in Kap Verde oder in Europa. Bernd Weber dazu: „Auch die Microunternehmen stehen im Kontext der Globalisierung und damit in einer sehr komplexen Situation. Ihre Beraterinnen und Berater können gar nicht gut genug ausgebildet sein.“

Darüber hinaus muß bei allen Projekten die Frage nach der Armutsorientierung gestellt werden, eines der obersten Prinzipien der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium.

Markus Repnik, Regionalkoordinator in Kap Verde, sagt dazu: „Selbstkritisch muß man anmerken, daß die Österreichische Entwicklungskooperation zwar verbal der Armutsbekämpfung große Priorität einräumt. Gleichzeitig gibt es kein Leitbild und kein klares Zielsystem, also keinen Rahmen und keine Indikatoren, so daß man den Anspruch auf einzelne Projekte runterbrechen könnte. Man kann also nur gefühlsmäßig sagen: Es macht Sinn, Leute auszubilden, die dann gute Beratung leisten können, welche wiederum Microunternehmen zugute kommt.“

Projektleiter Bernd Weber setzt Hoffnung in die BeraterInnen selbst: „Sie wollen als Gruppen – wie in der Ausbildung grundgelegt – weiterarbeiten, teilweise zu zweit oder dritt eigene Beratungsunternehmen gründen, in den Institutionen bleiben oder selbständig werden. Viele von ihnen haben sehr viel Initiative und Power. Sie müssen natürlich ins kalte Wasser springen, aber sie sind gut vorbereitet.“

Unterstützung leistet ein Folgeprojekt: Aus einem Zuschußfonds der Österreichischen Kooperation wird in den nächsten drei Jahren Beratung finanziell unterstützt. Und woher kommt das Geld für die Umsetzung der Beratungspläne für die UnternehmerInnen? Bernd Weber: „Fast alle internationalen Geber bieten Programme für diesen Bereich an. Diesen Förderungsmarkt müssen die Berater inzwischen kennen.“

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