Kabila-Junior an der Macht

Von Walter Schicho · · 2001/03

In der Demokratischen Republik Kongo scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Eine Analyse von

Die Ermordung von Laurent Kabila am 16. Jänner, deren Hintergründe und Auftraggeber niemand genau kennen wollte und will, brachte Bewegung in die verfahrene Politik in Zentralafrika. JournalistInnen, ExpertInnen, die kongolesische Opposition und die „Global Players“ der schmutzigen Politik im Süden unserer Welt waren sich darin einig: Mit dem „Tyrannenmord“ sei das größte Hindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung für „Afrikas Ersten Weltkrieg“ („Time Magazine“) in der Demokratischen Republik Kongo beseitigt.
Die Entwicklung der letzten Wochen scheint ihnen recht zu geben. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, Belgiens Außenminister Louis Michel und Aldo Ajello als Vertreter der EU suchten Joseph Kabila, Sohn und Nachfolger Laurent-Desirés als Staatschef der DR Kongo, in Kinshasa auf.
Der 31-jährige Generalmajor machte sich Ende Jänner auf eine „Pilgerfahrt“, die ihn über Paris nach Washington und New York führte. Gespräche mit Präsident Jacques Chirac, US-Außenminister Colin Powell, UN-General Kofi Annan und eine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat bestätigten die internationale Gemeinschaft darin, dass es bald zu einer Umsetzung des Friedensabkommens von Lusaka kommen werde.
Kinshasa zog seine Klage, in der Ruanda und Burundi der bewaffneten Aggression beschuldigt wurden, vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zurück. Und Joseph Kabila traf in Washington mit Ruandas Präsident Paul Kagame zusammen.

Die USA und ihre Vasallen in Zentralafrika hatten Laurent Kabila 1997 ausgeschickt, um den unbequem gewordenen Langzeitdiktator Mobutu los zu werden. Kabila erwies sich nach der Eroberung Kinshasas keineswegs als die Marionette, als die man ihn aufgestellt hatte. Er entledigte sich bald der ruandischen Minister, die seiner ersten Regierung geholfen hatten, die Geschäfte in Kinshasa zu übernehmen. Bei einem Besuch in Sambia übte er heftige Kritik am US-amerikanischen Imperialismus; und es entging ihm auch nicht, dass kanadisches und US-amerikanisches Kapital die Minen im Kongo nur kaufte, um zu spekulieren und nicht um sie zu betreiben.
Zum Kern des Problems wurden allerdings die Flüchtlinge aus Ruanda, unter denen sich die Verantwortlichen des Genozids vom Jahr 1995 versteckten. Kabila weigerte sich konsequent, eine internationale Untersuchung zuzulassen und die fortdauernden Übergriffe von bewaffneten Banditen auf Uganda, Burundi und Ruanda zu unterbinden. So kam es 1998 zum Einmarsch von Armeeeinheiten der Nachbarstaaten im Osten des Kongo und zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die das Land gut zur Hälfte unter die Kontrolle von Rebellen und fremden Truppen brachte.
Für die Zivilbevölkerung machte es wenig Unterschied, ob sie Kabilas Soldaten, die von Einheiten aus Simbabwe, Angola und Namibia unterstützt wurden, in die Hände fielen, oder von deren Gegnern „befreit“ wurden. Raub, Mord, Vergewaltigung und Plünderung kennzeichneten ihren Alltag.

Nach Laurent Kabilas Machtübernahme und der Einführung einer neuen Währung hatte die Wirtschaft der DR Kongo eine kurze Phase der Erholung verzeichnet, und die Staatsangestellten bekamen wieder ihre Gehälter ausbezahlt. Die Inflation sank. Die BürgerInnen begannen, ihren gewohnten Geschäften nachzugehen. Mit dem erneuten Ausbruch des Krieges Mitte des Jahres 1998 war die Erholung vorbei. Kabila, so hieß es, verpfändete die Reichtümer des Landes an jene, die ihm Unterstützung gewährten, vor allem an Simbabwes Präsidenten Robert Mugabe.
Kinshasa beklagte „die systematische Plünderung von strategisch wichtigen Mineralien, Diamanten und Gold im Wert von jährlich drei Milliarden US-Dollar durch die Besatzungsarmeen Ugandas und Ruandas“. Beide Seiten waren hauptsächlich damit beschäftigt, das Land und seine Bevölkerung auszuplündern. Vom Übergang zur Demokratie und den versprochenen Wahlen war immer weniger zu hören.

1999 formulierten die Krieg führenden Parteien in Lusaka ein Friedensabkommen, das den Rückzug der fremden Truppen aus dem Kongo und eine Kontrolle durch Einheiten der UNO vorsah: Niemand außer einigen Funktionären der UNO zeigte Bereitschaft, das Abkommen umzusetzen. Schließlich zwangen aber die Kosten des Krieges und der internationale Druck Kabila, der Politik des „interkongolesischen Dialogs“ zuzustimmen. Sein Einlenken, wenn es überhaupt ernst gemeint war, kam zu spät.
An seinem Sarg standen neben dem Sohn und Erben die Präsidenten von Simbabwe, Namibia und Angola. Ihre Bereitschaft zur Verstärkung der Truppen im Kongo galt nach Laurent Kabilas Tod schon eher der Sicherung der Kriegsbeute, als einem Sieg über die Rebellen und Besatzungssoldaten, die ihre Kampftätigkeit inzwischen weitgehend eingestellt haben.

Mobutu war erst dreißig Jahre alt, als er im Jahr 1960 das erste Mal in die Politik des Kongo eingriff; mit 36 Jahren übernahm er endgültig die Macht. Er hatte dabei die ungeteilte Unterstützung Belgiens wie der USA. Der Osten des Landes war von Rebellen kontrolliert. Die Bevölkerung des Kongo begrüßte seine Machtübernahme, weil sie auf Frieden hoffte. Die UNO verzeichnete im Kongo ihren ersten fragwürdigen Einsatz. Die Situation von damals ähnelt frappant der Lage von heute. Wie Anfang der sechziger Jahre erwarten die Industriestaaten des Nordens von ihren „Partnern“ im Süden „Demokratie“ und „offene Märkte“. Sie säen „Frieden“ und „Entwicklung“, aber die Menschen im Kongo ernten „Krieg“ und „Armut“.

Walter Schicho ist Professor am Institut für Afrikanistik der Universität Wien.

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