(K)ein Ende des Bürgerkrieges

Von Thomas Schmidinger · · 2000/03

Die Auseinandersetzungen und Machtkämpfe innerhalb der politischen Führung des Sudan könnten sowohl zu einer Demokratisierung als auch zu einer Intensivierung des jahrzehntelangen Bürgerkrieges führen.

Monatelang hatten die Machtkämpfe innerhalb der Führungselite der islamischen Republik Sudan getobt. Am späten Abend des 12. Dezember verhängte Präsident Umar al-Bashir einen dreimonatigen Ausnahmezustand über das ganze Land. Gleichzeitig löste er das Parlament auf und setzte den Parlamentspräsidenten und bisherigen Chefideologen des Regimes, Hasan al-Turabi, ab.

Turabi sprach daraufhin von einem „Militärputsch von oben“ und rief den gesamten Dezember über seine Anhänger zum Widerstand gegen jenen Mann auf, mit dem er einst gemeinsam angetreten ist, den Sudan in einen „islamischen Staat“ zu verwandeln. Einige Vertreter der sudanesischen Opposition befürchteten daraufhin einen Bürgerkrieg zwischen Turabis islamistischen Milizen und dem unter der Kontrolle Bashirs stehenden Militär.

Ende Jänner hat sich Hasan al-Turabi mit Umar al-Bashir nach einer Reihe von Gesprächen wieder versöhnt. Zwar ist Turabi nicht mehr in sein Amt zurückgekehrt. Doch es wäre eher verwunderlich, wenn ein politischer Überlebenskünstler wie er nicht wieder eine wichtige Rolle in der sudanesischen Politik spielen könnte.

Präsident Umar al-Bashir hat verkündet, dass in Zukunft alle Parteien der Opposition ihre Arbeit im Sudan wieder aufnehmen könnten. Allerdings erst nachdem er sich am 21. Dezember bei einem Staatsbesuch in Libyen der Unterstüzung der arabischen Staaten versichert hatte und mit den Präsidenten Issayas Aferwerki in Eritrea und Yoweri Museveni in Uganda zusammengetroffen war.

Viele Oppositionelle hoffen nun auf Frieden im Sudan. Seit 16 Jahren herrscht im flächengrößten Staat Afrikas ein blutiger Bürgerkrieg zwischen dem arabisch-islamischen Norden und dem christlich-animistischen Süden des Landes.

Vor der Absetzung Turabis hatte Bashir Gespräche mit seinem Vorgänger Sadiq al-Mahdi, dem Letzten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten des Landes geführt. Mahdi und seine national-konservative Umma-Partei haben mittlerweile ihre Aktivitäten im Sudan wieder aufgenommen. Präsident Bashir will zwar künftig alle Parteien im Sudan zulassen, jedoch wird befürchtet, dass sich seine Einladung zur Demokratisierung primär auf die Opposition im Norden und nicht auf jene im Süden des Landes bezieht. Parteien wie die DUP (Democratic Unionist Party) oder die Kommunistische Partei bleiben daher weiterhin skeptisch und vorerst abwartend im Exil.

Ende November gab es ein „Separatabkommen“ zwischen Mahdi und Bashir, das die Beendigung des Bürgerkrieges vorsieht. Nach einer vierjährigen Übergangsperiode soll der Süden sein „Recht auf Selbstbestimmung“ geltend machen können, sich also vom Sudan abspalten können. Umma-Chef Mahdi, der geistige Mentor der islamischen Ansar-Bewegung, bezeichnete im ägyptischen Exil das Abkommen als „einen Schritt hin zu demokratischer Stabilität im Sudan“.

Die Hoffnungen auf Frieden werden aber schnell zerstreut, angesichts der andauernden Unruhen im Süden des Landes. Auch in den letzten Wochen kam es immer wieder zu neuen Mobilisierungen für die Milizen und das Militär. Bei Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und Rebellen der SPLA (Sudanese Peoples Liberation Army) kamen Anfang Februar nach Regierungsangaben 50 Menschen ums Leben.

Am vierten Februar ging eine neue Rebellenorganisation an die Öffentlichkeit: Das South Sudan Liberation Movement (SSLM) beansprucht, die verschiedensten ethnischen Gruppen der Provinz Upper Nile zu vertreten. Einen Tag später trat dann Reik Machar als Regierungschef des Südsudan zurück. Der ehemalige Rebellenführer hatte 1998 einen Friedensvertrag mit der Regierung unterzeichnet und verwandelte daraufhin seine Rebellenorganisation in eine politische Vereinigung. Seither verwaltete er die von der Regierung kontrollierten Gebiete des Südsudan.

Für die nächsten Monate ist aber eine Rückkehr Machars in den Untergrund vorstellbar. Damit wäre das Scheitern der Südsudan-Politik des Regimes einmal mehr unter Beweis gestellt.

Scharfe Kritik am Abkommen zwischen Bashir und Mahdi kam vom Oppositionsbündnis der „Nationalen Demokratischen Allianz“(NDA), das Mahdi seinen Alleingang mit dem „undemokratischen Regime von Khartum“ vorwarf.

Die NDA setzt sich zusammen aus den traditionell-religiösen Parteien, der Umma-Partei, der dem Sufi-Orden der Khatmiya nahe stehenden Democratic Union Party (DUP), der Kommunistischen Partei, einer Reihe von Gewerkschaften, Frauenorganisationen und anderen Gruppierungen der Zivilgesellschaft. Seit einigen Jahren beteiligen sich auch die wichtigsten bewaffneten Gruppen des Südens, insbesondere die SPLA John Garangs, an diesem Bündnis.

Die aktuellen Turbulenzen spielen sich vor allem innerhalb der politischen Elite ab. Der Machtkampf zwischen Turabi und Bashir endete mit der Auflösung des Parlaments durch Bashir. Turabi bezeichnete seine Absetzung als Parlamentspräsident als „Putsch von oben“.

Präsident Umar al-Bashir war am 30. Juni 1989 durch Putsch an die Macht gekommen. An genau diesem Tag wurde mit der südsudanesischen Guerilla SPLA über die Aufhebung des islamischen Rechtes, der Scharia, verhandelt.. Die Schariatsgesetze wurden noch unter dem Militärdiktator Gafar al-Numeiri 1983 eingeführt und sollten als Voraussetzung für Frieden abgeschafft werden. Dieser Abschaffung wollten die Militärs unter dem damaligen Generalleutnant al-Bashir zuvorkommen.

Hasan al-Turabi, damals Parteichef der von Muslim-Brüdern gegründeten National Islamic Front (NIF), war wie alle Parteichefs unter Hausarrest gestellt worden. Doch bald stellte sich heraus, dass der Putsch mit Duldung oder gar aktiver Unterstützung der NIF zustandegekommen war. Die Restriktionen gegen NIF-Funktionäre wurden schnell aufgehoben und die wichtigsten Staatsämter mit Leuten aus dem Umfeld Hasan al-Turabis besetzt. Hasan al-Turabi wurde zum Ideologen und starken Mann des Regimes, mit einer Macht, die weit über sein offizielles Amt als Parlamentspräsident hinausging.

In den Folgejahren übte die Koalition aus islamistischen Militärs und alten NIF-Funktionären scharfe Repression gegen politische Gegner aus und versuchte, den Sudan in einen Staat nach ihren Vorstellungen umzuwandeln.

Für viele SudanesInnen spielen Veränderungen innerhalb der politischen Elite aber nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem die Landbevölkerung lebt in vielen Teilen des Landes unbehelligt von der politischen Orientierung der jeweiligen Regierung. Wer durch Provinzhauptstädte wie Kassale oder Dongola fährt, spürt vor allem den Wunsch nach einer wirtschaftlichen Erholung des Landes und den Wunsch, von der Regierung möglichst in Ruhe gelassen zu werden. Vielen Menschen im Nordsudan gelingt dies auch immer wieder. Wer durch die Dörfer Nubiens fährt oder in Omdurman spazieren geht, wird nicht viel von den Kleidungsvorschriften der islamistischen Regierung bemerken. Viel zu viele Frauen weigern sich, die strengen Gesetze zu erfüllen. Selbst in Bussen sitzen Frauen und Männer nebeneinander. Alkohol wird – obwohl streng verboten – weiter gebraut und getrunken.

Während es im Norden jedoch relativ einfach ist, sich im alltäglichen Leben dem Regime zu entziehen, leiden die Menschen in den Bürgerkriegsregionen des Südsudan nicht nur unter den Kriegsfolgen, sondern auch unter wesentlich schärferen Repressionen. Die zaghafte „Demokratisierung“ seit der Absetzung Hasan al-Turabis wird für einen andauernden Frieden im Sudan nicht ausreichen.

Seminar

„Feindbild Islam“

Die westliche Welt hat ein verzerrtes Bild vom Islam. „Feindbild Islam – am Beispiel Sudan“ lautet der Titel eines Seminars am 9.3., veranstaltet vom Pädagogischen Institut Wien. Peter Schmidt, langjähriger Sudan-Kenner, freier Journalist und Lehrer für Pflichtschule und Pädak, wird den TeilnehmerInnen ein umfassendes Bild von diesem afrikanischen Staat vermitteln. Dazu ist Razan Jadaan, eine Journalistin aus Jordanien, als Co-Referentin geladen.

Die Veranstaltung findet von 8.30 bis 16 Uhr im Pädagogischen Institut (Burggasse 14-16, 1070 Wien) statt und richtet sich vor allem an LehrerInnen. Tel. 01/523 6 222 DW 705 oder 734.

Der Autor studiert Politikwissenschaft mit einem Schwerpunkt auf den Nahen Osten und den Sudan an der Universität Wien.

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