Klare Sicht auf ein geteiltes Land

Von Michiel van Oosterhout · · 2006/04

Ugandas Bevölkerung hat Präsident Yoweri Museveni im Amt bestätigt. Sein Erzrivale Kizza Besigye machte die ersten demokratischen Wahlen seit 26 Jahren jedoch zu einem hart umkämpften Rennen. Deutlicher zeigt sich nun, wo die Trennlinien verlaufen – wie im ungeheilten Riss zwischen Nord und Süd.

Das Wahlfieber in Uganda endete am 25. Februar 2006 mit dem klaren Sieg des Präsidenten Yoweri Museveni. Die meisten politischen Analysen hatten bereits Monate zuvor vorhergesagt, dass Musevenis wichtigster Gegner, Kizza Besigye, verlieren würde. Aber die Auseinandersetzung der beiden ehemaligen Gefährten im Befreiungskampf hat deutlich gemacht, wie sehr Musevenis Nationale Widerstandsbewegung (NRM) – Partei und System zugleich und seit 1986 an der Macht – an Einfluss verloren hat. 59 Prozent für Museveni und 39 Prozent für Besigye – bei den letzten Wahlen, die 2001 noch im alten De-facto-Einparteiensystem abgehalten wurden, stand es 69 zu 27. Deutlich ist die Zahl jener gewachsen, die der Führung des Präsidenten kritisch gegenüber stehen.
Dieser hatte im Wahlkampf seinen Herausforderer stark unter Druck gesetzt. Erst im September 2005 aus dem selbst gewählten südafrikanischen Exil zurückgekehrt, wurde Kizza Besigye fast unmittelbar nach der Ankunft verhaftet und unter Vergewaltigungs-, Hochverrats- und Terrorismusanklagen eingesperrt. Auch wenn er letztlich gegen Kaution frei kam, war Besigyes Forum für Demokratischen Wandel (FDC) erbost. Laut FDC-Führung fürchtete Museveni seinen Gegner so sehr, dass er die Anschuldigungen erfinden ließ, um ihn zu behindern.
Wenn diese Einschätzung von Diplomaten und unabhängigen BeobachterInnen auch weitgehend geteilt wird, ist Besigye dennoch nicht über Kritik erhaben. Das frühere NRM-Mitglied, das die Partei 1999 verlassen hat, hat öffentlich nie ausgeschlossen, den Amtsinhaber auch mit Einsatz von Gewalt abzulösen. Dies war sein großer Fehler, der ihn in den Augen der Regierung verdächtig machte. Viele UganderInnen fürchteten, das Land könnte in seine von Gewalt und Machtmissbrauch geprägte Vergangenheit zurück geworfen werden. Verstärkt wurde die Angst durch die Bedrohung eines möglichen Angriffs durch die Armee zur Erlösung des Volkes (PRA), einer Rebellengruppe, die im benachbarten Kongo aktiv ist.

Lange Zeit bezeichneten Besigye und zu einem gewissen Maß auch die unabhängigen ugandischen Medien die PRA als Erfindung der Regierung. Bis die UN-Friedensmission in der Demokratischen Republik Kongo bestätigte, dass es die PRA tatsächlich gibt und zweitausend Bewaffnete für sie kämpfen. Auch wenn die meisten UganderInnen seit zwanzig Jahren relative Stabilität und Frieden genießen, haben doch viele von ihnen die Konsequenzen des Eindringens einer der zahlreichen Rebellengruppen zu spüren bekommen, die seit der Machtübernahme Musevenis das Land bedrohen. So sah sich Ende der 1990er Jahre das westliche Uganda mit den Rebellen der Alliierten Demokratischen Kräfte (ADF) konfrontiert. Auch wenn die ADF vor einigen Jahren zerschlagen wurde, beunruhigt ihre mögliche Rückkehr die Menschen im Westen bis heute. Schließlich haben sich laut Armee kleine Einheiten davon im Kongo gehalten.
Uganda ist ein geteiltes Land, auch 20 Jahre nachdem Musevenis NRM angetreten ist, die Nation zu einen. Frieden und relativer Wohlstand, wie sie im Süden errungen wurden, sind im Norden nie angekommen. Die größte offene Wunde ist der seit 1987 andauernde Konflikt im Norden. Viel zu oft versprach Museveni, dies sei das letzte Jahr für Joseph Konys Widerstandsarmee des Herrn (LRA), die den Norden terrorisiert. Neunzig Prozent der Acholi-Bevölkerung leben in Flüchtlingslagern, manchmal nur wenige Kilometer von den Heimatdörfern entfernt. Dass sich die internationale Staatengemeinschaft nun mit einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Kony und seine Hauptmitstreiter eingeschaltet hat, wird von denen, die am meisten unter ihnen leiden, als Fehler angesehen – den VertreterInnen der Acholi. Sie fordern einen auf ihren kulturellen Werten basierenden Friedensprozess. Weniger bedeutende Kommandanten sowie Kindersoldaten, die zurückgekehrt sind, haben sich dem Mato Oput, einem Reinigungsritual unterzogen, und konnten danach in die Gesellschaft reintegriert werden. Doch auf politischer Ebene wurde ein auf diesen Traditionen aufbauender Prozess nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
Auch wenn die Zahl der UganderInnen, die sich der elenden Lage ihrer Landsleute im Norden bewusst sind, durch gestiegenes Medieninteresse deutlich gewachsen ist – die grausame Realität der Menschen hat sich dadurch nicht verändert. Sie leben nach wie vor in Lager gepfercht, marginalisiert und in der ständigen Angst, der „Teufel“ – wie viele Acholi Kony nennen – könnte sie mit seiner Armee von brutalisierten Kindersoldaten überfallen und misshandeln, die Gesichter der Frauen entstellen und weitere Kinder entführen.

Ein weiterer Krisenherd ist die Region Karamoja im Nordosten Ugandas. Das Volk der Karimojong weigert sich seit Jahren, die ugandischen Gesetze zu befolgen. Nach wie vor tragen die Männer illegal Waffen. Sie überfallen benachbarte Volksgruppen und stehlen deren Rinder, gilt doch Viehdiebstahl als integraler Bestandteil ihrer Kultur. Mehrere Entwaffnungsprogramme in den letzten Jahren waren nur wenig erfolgreich. Sogar der schwer bewachte Konvoi Musevenis wurde auf Wahlkampftour in der Region beschossen. Kein ungewöhnlicher Zwischenfall für Reisende in Karamoja. Wenn ab und zu einige wenige Gewehre eingezogen werden, sieht es mehr nach einer Propagandaaktion der Regierung aus, die zeigen will, dass sie überhaupt etwas tut. Am nächsten Tag kommen neue Waffen über die löchrige kenianische und sudanesische Grenze ins Land. Eine der möglichen Lösungen, nämlich eine verstärkte regionale Kooperation zur Eindämmung des Waffenhandels, steht nicht weit oben auf der Agenda der beteiligten Regierungen.

All diese Probleme wurden jedoch während des Wahlkampfes kaum behandelt. Für die Bevölkerungsmehrheit im dichter besiedelten Süden gelten sie schlicht nicht als wichtige Themen. Sie setzt die Regierung nicht genug unter Druck, die sozialen Konflikte zu lösen – obwohl es nur eine vierstündige Fahrt braucht, um aus dem ökonomisch relativ vitalen Süden in die desolate Armut des Nordens zu gelangen. Doch die Teilung verläuft auch entlang ethnischer Linien – ein Dilemma, das Museveni zu bekämpfen versprach, als er an die Macht kam. Ethnische Vorbehalte sind nach wie vor ein Hauptgrund für den schwelenden Krieg im Norden. Viele Leute im Süden denken mehr oder weniger offen, dass den Betroffenen damit nur recht geschehe: Schließlich gehörten die Machthaber Milton Obote, Idi Amin und Tito Okello den Völkern des nördlichen Uganda an. Nun zahlen diese eben für das Elend, das die Despoten über das Land gebracht haben. Selbst die Opposition thematisierte das Leiden des Nordens erst ernsthaft, als der Urnengang näher rückte. Politisch marginalisiert wie sie sind, blieb den Acholi keine andere Wahl, als für Besigye zu stimmen – obwohl kaum jemand in ihm einen Retter sieht.
Für den westlichen, östlichen und südlichen Teil Ugandas war die Wahl Musevenis eine recht eindeutige Entscheidung. Vor allem wegen der Sicherheit, die er den Dörfern gebracht hat. Während der Regentschaften von Idi Amin und Milton Obote wurden Bauern und Bäuerinnen oft von umher streifenden Soldatenbanden terrorisiert, ihr Viehbestand und ihr Getreide geplündert. Museveni beendete all dies. Selbst wenn große Teile der Landbevölkerung auch im Süden weiterhin sehr arm sind, haben sie in Bezug auf Sicherheit und Basisdienstleistungen deutlich weniger zu klagen als ihre Landsleute im Norden. Während der Norden stagniert, wächst die Wirtschaft im Süden. Das Wachstum unter Musevenis Regierung ist beträchtlich, in den vergangenen fünf Jahren waren es jährliche sechs Prozent. Klein- und Kleinstunternehmen, ob formell oder informell, sprießen überall hervor, besonders in den Städten. In den meisten Dörfern, wo fast neunzig Prozent der Bevölkerung leben, gibt es ein Telefonnetz. In wenigen Jahren wird dort auch Internetzugang nichts Ungewöhnliches mehr sein. Vor allem aber in Kampala boomt die Wirtschaft. Der Commonwealth-Gipfel 2007, dessen Gastgeber Uganda ist, soll weitere Devisen in die Kassen heimischer Geschäftsleute spülen.

Wegen seiner liberalen Wirtschaftspolitik und der Offenheit gegenüber der HIV/Aids-Bedrohung wurde Uganda zu einem wahren Liebling des Westens. Über Jahre hinweg flossen die Gelder der Geberländer, seit 1987 waren es rund elf Milliarden US-Dollar Auslandshilfe. Diese macht beinahe die Hälfte des Jahresbudgets aus. Der ausländische Geldsegen wurde für manch einen jedoch zur Versuchung. Korruption begann, ihr hässliches Gesicht vor allem innerhalb der Regierungsbehörden zu zeigen. Die bekanntesten Beispiele dafür sind die Polizei und die Steuerbehörden. Ermittlungen wurden aufgenommen und die Schuldigen suspendiert. Wo das Geld jedoch hingewandert war, war nur selten zu ermitteln. Und auch das Volk selbst spielt seine Rolle in diesem Korruptionsspiel. Zu oft werden diejenigen, die Gelder hinterziehen, von der Öffentlichkeit zu einer Art Robin Hood stilisiert. Ein ehemaliger Bürgermeister von Kampala, Hajji Nasser Ntege Ssebaggala, beispielsweise wurde in den USA wegen nachgewiesenem Betrug verurteilt und saß zwei Jahre im Gefängnis. Bei seiner Rückkehr empfingen ihn die BürgerInnen Kampalas wie einen Helden und wählten ihn erst kürzlich wieder zum Bürgermeister der Hauptstadt.

Yoweri Museveni kann sich nach seinem Wahlerfolg alles andere als zurücklehnen. Mit 40 Sitzen in einem demokratisch gewählten Parlament steht ihm mit der FDC nun eine ernst zu nehmende Opposition gegenüber. Nachdem er so lange ohne wirkliche Opposition regiert hat, ist die Frage, ob er damit umgehen kann. Bisher zeichnete er sich nicht gerade durch Dialogbereitschaft aus, wird in Zukunft aber wohl Wege finden müssen, mit anderen Parteiführern zu kommunizieren. Die größte Herausforderung ist der Norden: Wird die durch Jahre von Gewalt und Terror traumatisierte Bevölkerung nicht wirksam reintegriert, bleibt sein Versprechen von 1986, Uganda zu einen und eine gemeinsame nationale Identität zu schaffen, weiterhin Illusion.

Übersetzt aus dem Englischen von Felix Holland.

Michiel van Oosterhout lebt als freier Journalist in Uganda.

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