Klare Ziele

Von Claudia Bonk · · 1999/05

Die Industrieländer verpflichten sich – zumindest auf dem Papier – unisono der Armutsbekämpfung.

Alle OECD-Staaten haben sich dem Ziel verschrieben, die extreme Armut weltweit bis zum Jahre 2015 mindestens zu halbieren. Dieser Vorschlag stammt aus dem 1996 erschienen Papier „Shaping the 21st Century: The Contribution of Development Co-operation“ des Development Assistance Committee (DAC) der OECD.

Der Ansatz verfolgt in erster Linie die Erreichung eines höheren Einkommens für die betroffenen Menschen. Erst an zweiter Stelle scheint das Ziel der sozialen Entwicklung auf. Damit sind bei der OECD die Grundschulbildung, mehr Gleichbereichtigung beim Zugang dazu, die Reduzierung der Säuglings- und Kindersterblichkeit und der Zugang zu einfachen Gesundheitssystemen gemeint. An dritter Stelle ist von der Erhaltung und Wiederherstellung der intakten Umwelt die Rede.

Der Kopenhagener Sozialgipfel 1995 ging davon aus, daß Entwicklung und Armutsausrottung nur über die Verbesserung der sozialen Indikatoren funktioniert. Das bedeutet, daß die obigen Ziele unterstrichen und in ihrer Wichtigkeit über die Erhöhung des Einkommens gestellt werden.

Der Vorschlag besteht konkret darin, sich dem sogenannten 20:20 Ziel anzuschließen. Es besagt, daß in den Industreistaaten mindestens 20% der öffentlichen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und mindestens 20% der nationalen Budgets in den Empfängerstaaten für den Zugang zu sozialen Grunddiensten ausgegeben werden sollten.

NROs fordern sogar eine Verwendung von mindestens 50% der EZA-Mittel für Investitionen in die sozialen Sektoren und deren Einsatz für die Stärkung von sozialen und zivilen Organisationen.

Auch die EU hat sich all diesen Zielen angeschlossen. Momentan fehlt ihr allerdings die Politik zur Implementierung dieser Versprechungen. Das Grünbuch zur Neuverhandlung des Lomé-Abkommens (Vertrag zwischen der EU und 71 Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik) und auch die ersten Verhandlungsvorlagen nennen zwar als oberstes Ziel die Ausrottung der Armut, nach konkreten Einzelzielen, Mechanismen und Maßnahmen sozialer Entwicklung im Rahmen der Armutsbekämpfung sucht man jedoch vergeblich.

Es gibt keine klaren Zahlen der EU-Kommission, die belegen, welcher Anteil der EZA-Gelder für soziale Zwecke ausgegeben wird. Einige ExpertInnen sprechen von ungefähr 10 bis 15%, die im Rahmen des aktuellen Lomé-Abkommens für soziale Infrastruktur und Dienstleistungen ausgegeben wurden. Dabei kann es sich um Grundschulbildung und ländliche Gesundheitsstationen handeln, aber auch die Finanzierung von Universitäten und modernen, städtischen Kliniken ist inkludiert.

Viele TheoretikerInnen weisen seit den achtziger Jahren daraufhin, daß Armut nicht ein rein monetäres Problem darstellt, sondern daß auch Aspekte wie Machtlosigkeit, soziale Ausgrenzung, Anfälligkeit, Benachteiligung, fehlende Möglichkeiten usw., Armut ausmachen.

Inspiriert durch den Nobelpreisträger Amartya Sen hat das UN- Entwicklungsprogramm UNDP Armut definiert als „die Verwehrung von Chancen und Wahlmöglichkeiten, um ein langes, gesundes und kreatives Leben zu führen und einen angemessenen Lebensstandard, Freiheit, Würde, Selbstachtung und den Respekt der anderen zu ermöglichen“.

Das Problem dieser umfassenden, aber überzeugenden Definition besteht in der Schwierigkeit seiner Meßbarkeit. Dies ist der Grund für Staaten, Institutionen und Organisationen, sich immer wieder unzureichender, aber einfacher meßbarer Indikatoren zur Armutsmessung und -bekämpfung zu bedienen.

Die Autorin, Diplomvolkswirtin mit dem Spezialthema multilaterale Entwicklungspolitik, ist Mitarbeiterin der Südwind Agentur.

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