Lizenz zum Töten

Von Nicola Glaß · · 2003/06

Im herrschenden „Drogen-Krieg“ in Thailand sind an die 2.300 Menschen erschossen worden. Nun soll es den Hintermännern an den Kragen gehen.

Durch den Hof schallt fröhliches Kinderlachen. Die Kleinen spielen Ball oder kurven mit kleinen Rädern um den Platz. Dieses Stückchen Klong Toey ist wie eine Insel. Hier kümmert sich die Duang-Prateep-Stiftung unter anderem um missbrauchte und drogenabhängige Kinder und Jugendliche.
In Klong Toey, einem Stadtteil, der Bangkoks größten und ältesten Slum umfasst, leben mehr als 80.000 Menschen. Der Alltag ist geprägt von Angst und Gewalttätigkeit. Drogen sind mit das größte Problem. Schon die Jüngsten rauchen, schnüffeln, werfen Tabletten ein. Methamphetamine oder auch „Yaa-Baa“ genannt, die „verrückte Medizin“. Diese Designerdrogen mit aufputschender Wirkung werden unter anderem in Burma hergestellt und von dort nach Thailand geschmuggelt, aber auch im Lande selbst produziert. Sie sind in Thailand zur Volksdroge Nummer eins geworden.
„Die Drogenproblematik kann nicht innerhalb von drei Monaten gelöst werden“, erklärt Nittaya Promphochuenbun, eine Mitarbeiterin der Stiftung Duang-Prateep. Etwa 1.100 Kinder und Jugendliche seien derzeit in der Rehabilitation, alle ursprünglich von „Yaa-Baa“ abhängig.

Zwar soll der Drogenhandel in Klong Toey derzeit um etwa 30 Prozent zurückgegangen sein, aber viele zentrale Dealer-Ringe sind offenbar noch intakt. Und das, obwohl Thailands Premier Thaksin Shinawatra gründlich damit aufräumen wollte. Eine offizielle Kampagne von Februar bis April sollte das Land drogenfrei machen. Eine extrem ehrgeizige Zielsetzung, die die Verantwortlichen bereits jetzt als Riesenerfolg verkaufen: Regierung und Polizei brüsten sich damit, den Drogenhandel in allen 75 Provinzen Thailands unterdrückt zu haben, in den meisten Provinzen soll die Erfolgsquote gar zwischen 90 und 100 Prozent betragen. Rund 14 Millionen „Yaa-Baa“-Tabletten wurden sichergestellt. Dennoch soll die Kampagne jetzt bis Anfang Dezember ausgedehnt werden.
Manche bezweifeln allerdings, dass dieser Erfolg von Dauer ist. Der Nachgeschmack dieses dreimonatigen „Drogenkriegs“ ist jedenfalls mehr als bitter: Etwa 2.300 Tote, zehntausende Verhaftungen. Seitdem die regierende „Thai Rak Thai“-Partei (Thais lieben Thais) dem Drogenhandel den Kampf angesagt hatte, fielen pro Tag durchschnittlich mehr als 30 Menschen den Schießereien auf Straßen und in den Provinzen zum Opfer. Die Regierung blieb eisern, trotz heftiger Kritik aus dem In- und Ausland. Ihre offizielle Version lautet, es habe sich dabei in der Mehrzahl um Rauschgifthändler-Ringe gehandelt, deren Mitglieder sich aus Angst vor Verrat gegenseitig umgebracht hätten. Lediglich etwa 51 mutmaßliche Dealer seien von Polizisten getötet worden – in Notwehr, wie es heißt.

KritikerInnen sind davon überzeugt, dass es sich vorwiegend um extra-legale Hinrichtungen gehandelt habe. Ausgeführt von Polizisten, die mit „Schwarzen Listen“ ausgerüstet wurden und mit dem Segen der Regierung einfach drauflos ballerten. Zudem sollen Provinzgouverneure „von oben“ angewiesen worden sein, in einem bestimmten Zeitraum einen Teil der Verdächtigen auf eben diesen Listen „verschwinden zu lassen“. „Lizenz zum Töten“ nennt das Somchai Homlaor von der in Bangkok ansässigen Nichtregierungsorganisation „Forum Asia“. Auch andere Menschenrechtler fordern unabhängige Untersuchungen des thailändischen „Drogenkriegs“. Nachweislich sind nämlich auch Unschuldige ums Leben gekommen, wie beispielsweise ein neunjähriger Junge, der zufällig in eine Schießerei geraten war.
Die Öffentlichkeit in Thailand war schockiert – trotzdem scheinen die meisten hinter der Offensive zu stehen.
Dass das Drogenproblem in Thailand massiv ist, bestreiten auch die KritikerInnen dieses „Krieges“ nicht, im Gegenteil. Von den rund 63 Millionen EinwohnerInnen des Königreiches sind etwa drei Millionen abhängig von Methamphetaminen. Und der Schmuggel über die grüne Grenze zwischen Burma und Thailand blüht.
„Wenn die Regierung den Krieg gegen die Drogen weiterführen will, sollte sie jedoch ihre bisherige Politik überdenken und sich künftig an rechtsstaatliche Prinzipien halten“, macht Somchai Homlaor deutlich. Auch seien offensichtlich nur kleine Dealer verhaftet worden und die „großen Fische“ keineswegs ins Netz gegangen. Premier Thaksin aber rückte von seiner Position nicht ab: Die Menschenrechtler sollten sich lieber um das Leben von Kindern, Jugendlichen und der Polizisten sorgen als um das von Drogenhändlern, lautete dazu dessen bissiger Kommentar.

Die Autorin ist freie Südostasien-Korrespondentin für Hörfunk und Printmedien. Sie lebt in Bangkok.

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