Massive Einschüchterungen

Von Martina Schwikowski · · 2002/02

Die simbabwische Bevölkerung hofft auf einen politischen Wandel trotz eskalierender Gewalt vor der Präsidentenwahl im März.

Renson Gasela beendet eilig seinen Satz: „Einschüchterungen können die Meinung nicht verändern, aber die Leute von der Wahl fern halten.“ Dann reißt der Landwirtschaftssprecher der simbabwischen Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) das Fenster auf. Zwischen den Häuserschluchten in Harares Innenstadt laufen Menschen in Panik auseinander, Geräusche des Tumults und Rufe dringen hinauf in die MDC-Büros im „Harvest House“ an der Nelson Mandela Avenue. „Einige von uns fürchten sich nicht. Selbst wenn wir sterben sollten. Man muss für die Demokratie kämpfen“, sagt sein Kollege. Die versammelten MDC-Abgeordneten sind in Sorge, die 500 Meter ins Parlament ohne gewaltsame Zwischenfälle zurücklegen zu können. Denn Anhänger der Regierungspartei haben ihnen Schläge angedroht, falls die angeblichen „Staatsterroristen“ an diesem Nachmittag ins Parlament kommen sollten. Die Lagebesprechung beginnt.
Die durch den Gewaltkurs Robert Mugabes ohnehin belastete politische Situation ist durch den brutalen Mord an Kriegsveteran Cain Nkala vor einigen Wochen in Bulawayo eskaliert. Mugabe beschuldigte die MDC der Tat, nennt sie Terroristen und kündigte an, ihre Tage seien gezählt. Dem Präsidenten ist jedes Mittel recht, um die im Mätz anstehenden Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Aber Beweise gegen tatverdächtige Oppositionelle gibt es nicht. „Niemand glaubt daran, dass Nkala von der Opposition umgebracht worden ist“, sagt Professor Masipula Sithole, Politologe an der Universität von Simbabwe. Der Mord sei von der eigenen Partei inszeniert worden.

Wie weit wird Mugabe noch gehen? „Es ist ein Spiel des Willens“, sagt Sithole über den Wahlkampf. Änderungen des Wahlgesetzes, die Eintragungen ins Wahlregister erschweren, werden vermutlich zahlreiche RegierungsgegnerInnen von der Wahl ausschließen. In diesem Jahr kamen 110 Oppositionelle um. Und die Misshandlungen mutmaßlicher Oppositionsanhänger durch Schlägertrupps und so genannte Kriegsveteranen nehmen zu. „So schlimm war es noch nicht mal zu Zeiten des Befreiungskampfes“, sagt Tarcisius Zimbiti, Direktor der Katholischen Kommission für Recht und Frieden. Leute werden nachts abgeholt und verschleppt. Selbst die Kirche erhält Drohungen am Telefon. Bei Gesprächen Ende November mit einem EU-Team in Harare verließ Mugabe wutentbrannt den Raum, als Louis Michel, Außenminister Belgiens, der damalige Vorsitzenden des EU-Ministerrates, zur Wahrung der Menschenrechte aufrief. Internationale Sanktionen werden angedroht, doch nicht umgesetzt. Auch der Nachbar Südafrika hat sich bisher auf seine „ruhige Diplomatie“ als Strategie zurückgezogen, angeblich um einen möglichen Dialog nicht zu gefährden. Währenddessen versucht Mugabe in einem weiteren Schritt, die Pressefreiheit massiv zu unterdrücken: Ein Gesetz soll demnächst verabschiedet werden, das ausländische JournalistInnen von der Wahlberichterstattung ausschließen soll, und einheimische ReporterInnen sollen neuerdings – neben ständigen Repressalien und Drohungen – von der Regierung lizensiert werden.
Die Opposition müsse an Wahlen teilnehmen und sie dann als unfair erklären, meint Sithole. „Die MDC wird viele Stimmen von Protestwählern erhalten, aber wie das Ergebnis unter diesen unfairen Umständen auch ausfällt – das Risiko müssen wir eingehen.“ Im Falle einer Niederlage wird Mugabe versuchen, Einfluss zu nehmen, aber er müsse das Ergebnis früher oder später akzeptieren, meint Sithole.

MDC-Präsidentschaftskandidat Morgan Tsvangirai (siehe Interview SWM Nr.11/2001) glaubt, dass es keine freien und fairen Wahlen geben wird. „Boykott ist für uns keine Option, es würde Stillstand bedeuten. Die Menschen wollen jetzt wählen, auch unter diesen schwierigen Bedingungen“, sagt er. Mugabe sei rachsüchtig und stur.
Die MDC ermutigt WählerInnen, Konfrontationen zu vermeiden und bis zum Wahltag durchzuhalten. Auf keinen Fall dürfen die Wahlen verschoben werden, meint auch Brian Kagoro, Koordinator im Krisenkomitee, dem 250 Bürgerrechtsgruppen angeschlossen sind. „Es brodelt und dann nehmen die Leute das Gesetz in ihre Hand. Die Polizei ist sowieso parteiisch zugunsten Mugabes Anhängerschaft.“ Die Menschen wünschen sich anscheinend einmütig, dass der einst als Befreiungsheld gefeierte Despot Mugabe nach 21 Jahren an der Macht endlich abtritt. „Nichts hat er für uns getan“, heißt es in den Straßen. Viele scheinen voller Hass gegen den Präsidenten, der „stets über Leichen gegangen ist“.

Der Alltag ist beschwerlich: Die Wirtschaft liegt darnieder, die Inflation steht knapp über der 100 Prozent-Marke. Es mangelt an Arbeitsplätzen und immer mehr qualifizierte Kräfte verlassen das Land. Für viele SimbabwerInnen ist es schwierig, bei ständig steigenden Preisen ihre Familien zu ernähren. Auf dem Land herrscht bereits Hunger. Sogar die angeforderten Hilfslieferungen der internationalen Gemeinschaft will der Staat noch als politische Waffe im Kampf um Wählerstimmen einsetzen.
„Aber das Leben ist nicht lebenswert, wenn wir die Hoffnung aufgeben“, sagt Sithole. Im „Harvest House“ setzen sich rund zwanzig Abgeordnete Richtung Parlament in Bewegung. Wie Schatten mischen sich lautlos jugendliche MDC-Mitglieder aus Straßenecken in den kleinen Zug auf der Nelson Mandela Avenue: Leibwächter für besorgte Politiker. Polizeikräfte haben den Eingang gesichert, die Regierungsgegner gelangen unbeschadet hinein. Zumindest an diesem Tag.

Die Autorin ist Afrika-Korrespondentin der Berliner Tageszeitung „taz“ mit Sitz in Parklands (Südafrika).

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