Meine Krativität hat keine Farbe

Von Araba Evelyn Johnston-Arthur · · 1999/05

Mit der ghanaischen Schriftstellerin Amma Darko sprach SÜDWIND-Mitarbeiterin Araba Evelyn Johnston-Arthur.

Amma Darko bezeichnet sich selbst als Geschichtenerzählerin, ihren Stil als einfach und geradlinig, wie es ihrem Wesen entspricht. In ihren Büchern

hat sie viele ihrer Erfahrungen verarbeitet – unter anderem als Asylwerberin in Deutschland. Ihr Erstlingswerk „Der verkaufte Traum“ erzählt vom Überlebenskampf von GhanaerInnen im „gelobten Land“ Deutschland – in schlechten Jobs, als Prostituierte oder als Asylsuchende.

Ihre Arbeit ist geprägt von dem Widerspruch, als Afrikanerin über und für afrikanische Frauen zu schreiben – und den schriftstellerischen Druchbruch und größten Erfolg in Europa zu erleben.

Letztes Jahr gewann sie in ihrer Heimat die höchste literarische Auszeichnung, den „Ghana Book Award“. Darko lebt in Accra. Derzeit arbeitet sie im Rahmen eines Stipendiums in Deutschland.

Araba Evelyn Johnston-Arthur ist Vorsitzende von Pamoja, der Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora in Österreich. Sie forscht derzeit zur Neuen Afrikanischen Diaspora in Österreich. Sie lebt in Wien.

SÜDWIND: Ihr erstes Buch, „Der verkaufte Traum“ finde ich extrem mutig and extrem ehrlich. Speziell für Schwarze Frauen ist es sehr schwierig, diese berührenden Themen anzuschneiden, in einem Klima des Rassismus, in dem Tatsachen verfälscht und gegen uns verwendet werden. Aber gleichzeitig ist es extrem wichtig. Wie hat Ihr Leben in Deutschland Ihre Perspektive verändert, welche Überlebenskünste mußten sie dort entwickeln?

Darko: Nach meinem Universitätsabschluß in Ghana verdiente ich in Deutschland mein Geld mit Putzen, um zu überleben. Das war für mich nicht wirklich angenehm. Und dann die Isolation – das trieb mich zum Schreiben.

SÜDWIND: Wären Sie auch Schriftstellerin geworden, hätten Sie Ghana nie verlassen?

Darko: Ich glaube nicht, ich hätte gar keine Zeit gehabt, mein Talent zu entdecken, geschweige denn es zu verwirklichen. Daher bedaure ich auch nicht, was ich durchgemacht habe. Wer aus Europa zurückkommt, wird in der Heimat verherrlicht. Man ist ein been-to (von „having been to“, also einer, der wo – gemeint ist Europa – gewesen ist; Anm.) Eine been-to kommt mit materiellen Gütern zurück, mit einem Mercedes. … Ich habe erlebt, wie weit die Leute durch die Erwartungshaltung in der Heimat getrieben werden. Meinen Hungerlohn in Deutschland habe ich in eine Schreibmaschine, in Papier und Briefmarken investiert. Für die Leute zu Hause war mein Aufenthalt ein Fehlschlag und ich die been-to, die kein Geld nach Hause schickt. Ich kam mit leeren Händen – nur mit Seiten voll beschriebenem Papier. Und veröffentlicht hatte ich auch noch nichts.

SÜDWIND: Wie sind sie damit umgegangen?

Darko: Ich habe natürlich sehr darunter gelitten, daß man mich für eine Versagerin hielt. Doch das Ganze hat mich weiter angespornt. Ich wollte meine kreativen Fähigkeiten für die Sache einsetzen. Daß man zu verstehen beginnt, wie mörderisch diese Erwartungen an die been-tos sind.

SÜDWIND: Sie sehen es als Dilemma an, als Afrikanerin für afrikanische Frauen zu schreiben – und zu kaum von afrikanischen Frauen gelesen zu werden. Aus meiner Sicht fehlt etwas: Was ist mit der afrikanischen Diaspora, Menschen afrikanischer Herkunft, die europäische Sprachen sprechen, die außerhalb von Afrika leben. Wir sind eine Minderheit, nicht sehr zahlreich, aber es gibt uns. Für uns ist es es sehr wichtig, über afrikanische Frauen lesen zu können – aus der Perspektive einer afrikanischen Frau.

Darko: Ich habe kein Problem damit, außerhalb von Afrika gelesen zu werden, ich bin froh darüber. Traurig macht mich, daß ich in Afrika nicht ebensoviel gelesen werde. Speziell in meinem neuesten Buch werden soziale Fragen Ghanas angesprochen. Es um die jungen Mädchen, die auf der Suche nach Arbeit in die Stadt kommen. Und diese meine Charaktere sind in der Realität nicht in der Lage dies zu lesen. Das ist unbefriedigend.

Und denjenigen, die lesen können, fehlt die Zeit – in ihrem alltäglichen Überlebenskampf. Den anderen fehlt das Geld.

SÜDWIND: Glauben Sie nicht, daß durch Schreiben in ghanaischer Sprache der Zugang zu ihren Büchern geschaffen würde? Haben Sie jemals daran gedacht, Ihre Werke in eine ghanaische Sprache zu übersetzen?

Darko: Das ist ein Problem. Mit Englisch erreicht man einen größeren Leserkreis. Ich glaube kaum, daß ein Verleger außerhalb von Ghana mich in einer ghanaischen Sprache verlegen würde. Und mit einer der vielen Landessprachen erreicht man dann nur einen Teil der ohnenhin schon kleinen Leserschaft. Es wäre wunderbar und auch sehr innovativ, mit einem Buch, etwa in Akan, herauszukommen. Ein kleines Buch, eine Novelle … würde eine neue Schicht von Leserschaft ansprechen und eine Lesekultur schaffen.

SÜDWIND: In welcher Sprache im Kopf schreiben Sie, denken Sie?

Darko: Das kann ich ebensowenig sagen wie, welche Farbe meine Kreativität hat.

SÜDWIND: Wenn Sie an die Zukunft afrikanischen Frauen denken, was wird sich in Bezug auf Bewußtsein und Selbstvertrauen verändern?

Darko: Wir müssen es rasant angehen mit dem Schreiben. Durch die mündliche Überlieferung geht viel Wissen verloren. Werte und Perspektiven ändern sich. Die Kinder bleiben nicht mehr im Dorf und hören den Geschichtenerzählern zu. Wir müssen diese Erzähungen für die Nachwelt niederschreiben. Heute gehen die Kinder – auch die Töchter in die Schule. Das ist ein wichtiger Wandel. Die Generation meiner Kinder wird in der Lage zu sein, mehr zu lesen. Authentische historische Fakten mit erfundenen Charakteren zu kombinieren, ist literarisch und bildet.

SÜDWIND: Also eine neue Art, Wissen weiterzugeben.

Darko: Zum Beispiel wird jedes Jahr in Ghana eine Parade zur Erinnerung and die Burmakämpfer (ghanaische Truppen, die im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Kolonialmacht England gekämpft haben; Anm.) oder für den Unabhängigkeitkampf abgehalten. Und niemand weiß etwas über die Rolle der Frauen dabei. Mit der Aufzeichnung dieser Geschichte will ich jetzt beginnen, Informationen und Wissen sammeln, auf das spätere Schreibende zurückgreifen können. Wir müssen uns beeilen, es geht soviel verloren.

SÜDWIND: Mit dieser Pionierarbeit sind Sie Inspirationsquelle für die Jugend und für die Frauen.

Darko: Wir afrikanischen Schriftstellerinnen haben uns zu lange damit begnügt, die Dinge an der Oberfläche zu behandeln. Unsere Literatur muß dichter und nützlicher werden.

SÜDWIND: Würden Sie sich als Feminstin bezeichnen?

Darko: Durch das, was die Leute in Ghana, speziell die Männer, vom Feminismus aus Europa kennen, sehen sie ihre privilegierte Position gefährdet. Das verschreckt sie. Wenn man ein Thema wie Polygamie anspricht, dann werfen sie einem Verrat an der eigenen Kultur und Nachahmung der Weißen vor. So benutzen diesen Vorwurf als Waffe. Die Aussagen einer als Feministin bezeichneten Frau werden für nicht objektiv gehalten.

SÜDWIND: Die Schwarzen Frauen kritisieren an der weißen feministischen Theorie, daß sie den Mann zum Feindbild macht. Daß Sexismus im Mittelpunkt steht und andere Formen der Diskriminierung außer acht gelassen werden – wie etwa Rassismus. Die Schwarzen Frauen außerhalb von Afrika erleben Rassismus und Sexismus zugleich. Daraus haben sie eine eigene Theorie hervorgebracht, die die Erfahrungen der Schwarzen Frauen ins Zentrum stellt. Sie nennen sie „Womanism“: mit einem eigenen Selbstverständnis, mit einer eigenen Vorstellung von Familie und Gemeinschaft.

Darko: Das ist interessant. Die weiße feministische Sache wurde zu stark auf Sexualität reduziert – auf sexuelle Selbsbestimmung, auch in der Ehe. So nehmen die Leute in meiner Heimat die Dinge wahr. Doch wir sollten unsere Energien nicht darfür verschwenden, zu definieren, was wir sind oder nicht sind. Machen wir einfach weiter das, was wir tun. Die Etikettierung dafür sollen andere vornehmen.

SÜDWIND: Was, denken Sie, ist das wichtigste Ziel im Kampf der afrikanischen Frauen?

Darko: Wertschätzung. Abgesehen von allem anderen wird sie einfach nicht geachtet, nie als einfach sie selbst gesehen sondern immer mit ihrem Mann in Verbindung gebracht. Die ghanaischen Frauen tragen die Wirtschaft. Wenn – auch auf nationaler Ebene – über Wirtschaft diskutiert wird, kommt niemand auf die Idee, daß die ghanaischen Frauen wirtschaftlich etwas zu bieten hätten.

Wir sind so lange Zeit einfach zur Seite geschoben worden.

SÜDWIND: Ist diese mangelnde Achtung verinnerlicht worden, sodaß den Frauen die Selbstachtung fehlt.?

Darko: Wir haben soviel Unrecht gegen uns als normal akzeptiert. Etwa die Polygamie, die Ursache für soviel Leid.

Wir müssen auf unsere innere Stimme hören, die uns sagt, was wir wirklich wollen.

SÜDWIND: Danke für das Gespräch.

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