Millimeterweise gegen die Wüste

Von Kerstin Kilanowski · · 2000/01

Bewohner des Dorfes Aynoumadi in Senegal, am Rande der Sahel-Zone gelegen, bekämpfen die Bodenerosion mit einfachen Steinwällen.

Der heiße staubige Wind macht müde. Brennende Augen, Nasenbluten, Reizhusten sind ständige Begleiter. Die Welt liegt unter einem grauen Hitzeschleier. Und der Durst lässt sich nicht löschen. In der Trockenzeit werden die Menschen mutlos, gleichgültig. Das Dorf Aynoumadi liegt im äußersten Osten Senegals, am Rande der Sahel-Zone.

Zwischen Mai und Juni soll die Regenzeit einsetzen und das ausgetrocknete Land wieder kultivierbar machen. Wasser ist ein Gottesgeschenk. Aber Gottes Willen und die Regenzeit sind unberechenbar. Manchmal kommt der Regen erst spät im Jahr. Manchmal fällt er viel zu dürftig. Dann wieder rauscht er sturzbachartig auf das ausgetrocknete Land und schwemmt den kargen Ackerboden fort. Das ist keine Dürrekatastrophe, die weltweites Aufsehen erregen würde sondern der ganz normale Alltag in dieser Region.

So auch in Aynoumadi, das einen gewissen Wohlstand vorzeigen kann. Am Dorfrand steht die weit und breit größte Moschee. Etliche Wohnhäuser sind gemauert und haben einen modernen rechteckigen Grundriss.

Ein sicheres Zeichen dafür, dass in Aynoumadi viele Rückkehrende aus Frankreich leben. Ehemaligen Arbeitsemigranten, die ein halbes Leben an den Fließbändern von Renault standen und nun eine dürftige Rente erhalten. Mit dieser Rente und den zurückgebrachten Erfahrungen aus Europa sind sie in abgelegenen Dörfern wie Aynoumadi einflussreiche, wohlhabende Leute.

Von den heruntergekommenen Wohnheimen für ledige Afrikaner, den rassistischen Beleidigungen an der Arbeitsstelle, der rasenden Einsamkeit, ein Fremder unter Fremden zu sein, spricht kaum jemand. Europa das ist Fortschritt, Geld und Bildung, so lautet die offizielle Version.

Aber Geld allein kann nicht retten, was der ewige Wind, die gnadenlose Hitze und der unberechenbare Regen weggerissen haben. Es gibt in Aynoumadi kaum noch Boden, der für den Feldbau ausreichen würde. Die Erosion hat zusammengebackenen, eisenhaltigen Laterit hinterlassen, durchzogen von ausgewaschenen Rinnen und Mulden. Tote Felder.

Die Hände des Bauern Pathé Ly gleichem seinemLand: rissig, ausgetrocknet, zerfurcht. Das kommt vom Steine schleppen. Pathé gehört zum Volk der Peul wie alle in dieser Gegend. Seine Vorfahren waren Nomaden, stolze, eigensinnige Menschen, die eng mit ihren Rindern verbunden waren. Ein Peul kann ohne seiner Herde nicht leben, so erzählt die Mythologie. Die Rinder sind seine Brüder. Auch für Pathé gelten diese alten Vorstellungen. Aber seit mehreren Jahrzehnten betreiben die Peul in seiner Heimat nicht nur Viehzucht sondern auch Ackerbau, eine Lebensnotwendigkeit für sesshafte Völker. Hirse, Mais, Erdnüsse, ein bisschen Gemüseanbau – damit soll es nun vorbei sein, weil die dürftige Scholle in alle Himmelsrichtung verweht wurde.

Der Bauer Pathé Ly wehrt sich. Er schleppt Steine auf sein Feld. Die BewohnerInnen von Aynoumadi schütteln den Kopf. Steine auf ein verdorrtes Feld zu tragen, das ist das Werk eines Verrückten. Was sie nicht wissen oder nicht verstehen wollen: Pathé hat den Kampf gegen die Bodenerosion aufgenommen. Er wird seine Felder nicht der Unabänderlichkeit von Regen und Wind opfern. Schräg zum Hang, dicht an dicht, legt er die mühsam gesammelten Steine zu kleinen Wällen an, nutzt dabei das leichte Gefälle des Geländes. Zwei Männer aus dem Dorf machen mit, als sie sehen, dass der Wind nicht nur Erde fortbläst, sondern auch neue Krume mit sich bringt. Vor den wenige Zentimeter hohen Steinwällen sammeln sich Sand, Strohreste, dürre Zweige an. Millimeterweise. Tag für Tag. Der Boden kommt zurück. Die anderen Männer von Aynoumadi bleiben misstrauisch. Weshalb sich in der glühenden Hitze mit Steinen abquälen, wenn die Resultate ungewiss sind….

In der nächsten Regenzeit das übliche Bild der Zerstörung: Die Regengüsse reißen weitere Löcher und Rinnen in den Boden, das Wasser spült das ausgetrocknete Land weg, ohne ihm die lebensnotwendige Feuchtigkeit zuzuführen.

Außer auf den Feldern von Pathé Ly und seinen Mitstreitern. Die primitiven Steinwälle, kaum noch erkennbar zwischen den herangewehten pflanzlichen Überresten, halten das Regenwasser zurück. Auf dem ehemaligen Feld bilden sich Pfützen und kleine Tümpel. Nach ein paar Wochen sind alle Bodenterrassen auf mehreren Metern überschwemmt.

Die belächelten Steinwälle sind zu Mini-Staudämmen geworden. Jetzt können die drei Bauern mit der Aussaat beginnen: Mais, Hirse, Erdnüsse. Fast wie früher. 3,5 Hektar war 1996 das Versuchsfeld groß. Und es brachte direkt im ersten Jahr eine – bescheidene – Ernte ein. Inzwischen haben sich in Aynoumadi dreizehn weitere Dorfbewohner dem organisierten Kampf gegen die Bodenerosion angeschlossen und bewirtschaften nun über 30 Hektar ehemals unfruchtbares Land. Noch längst nicht alle Männer beteiligen sich an der mühsamen Arbeit der Rekultivierung. Manche beobachten allerdings mit Wohlwollen, welche Ernteerträge die verrückten Steineschlepper einbringen.

Um es dann jenen weiterzuerzählen, die noch immer mit verschränkten Armen dasitzen.

Die Autorin ist freie Journalistin und lebt in Morsbach, Deutschland.

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