Mindestens zehn Bücher

Von Redaktion · · 2009/07

Wie wird man ÜbersetzerIn von Literatur? Und wie gestalten sich die Einkommensmöglichkeiten? Brigitte Rapp zeigt auf, warum man von dieser hoch spezialisierten Tätigkeit kaum leben kann.

Die Voraussetzung für das Übersetzen geht weit über die Beherrschung zweier Sprachen hinaus. Vor allem, wenn es sich um Literatur handelt, erfordert es unter anderem die Fähigkeit, die „Seele“ des Textes zu erfassen. Verschiedene Facetten des Originals sollten zum Vorschein kommen. Fremdes muss bewahrt und doch den LeserInnen näher gebracht werden, ohne befremdlich zu wirken.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass heute die meisten ÜbersetzerInnen eine universitäre Ausbildung absolviert haben, obwohl der Zugang zum Übersetzerberuf nicht reglementiert ist und eine formale Ausbildung keine Voraussetzung für die Berufsausübung ist. Durchaus zu Recht übrigens, wenn es um die literarische Übersetzung geht, schließlich werden schöpferisch-künstlerische Fertigkeiten in aller Regel nicht erlernt, sondern durch Übung vertieft und geschliffen – man denke etwa an die Creative Writing-Kurse an US-Universitäten.

Tatsächlich bieten die Universitäten – allen voran die Institute für Translationswissenschaft, die es in Österreich in Wien, Graz und Innsbruck gibt, aber auch die diversen philologischen Institute – trotz zunehmender Beachtung der literarischen Übersetzung bis heute keine umfassende praxistaugliche Ausbildung für LiteraturübersetzerInnen an. Auch im geplanten „Europäischen Master Übersetzen“, einer Initiative zur Vereinheitlichung der europäischen Curricula, sind die spezifischen Anforderungen der literarischen Übersetzung nicht berücksichtigt. LiteraturübersetzerIn wird man daher vorwiegend durch Learning by Doing, und manche behaupten, dass man erst nach dem zehnten Buch richtig gut ist.

Das setzt allerdings voraus, dass man lange genug im Beruf bleibt. Übersetzungen sind schlecht bezahlt, Karrierechancen auf ein paar prestigeträchtige Auszeichnungen beschränkt. Den rechtlichen Rahmen bietet zwar das Urheberrecht – Übersetzungen sind wie Originalwerke geschützt -, die Zahlen und faktischen Vertragsbedingungen müssen aber von den ÜbersetzerInnen im direkten Gespräch mit den Verlagen und anderen Auftraggebern ausgehandelt werden. Der Spielraum dabei ist minimal, und selbst im besten Fall sind LiteraturübersetzerInnen angesichts des investierten Zeitaufwands eklatant unterbezahlt.

Laut einer vom europäischen Literaturübersetzerverband CEATL Ende 2008 veröffentlichten Studie beträgt das von österreichischen LiteraturübersetzerInnen zu erzielende Jahreseinkommen (inklusive allfälliger Förderungen) nur 47 Prozent des Bruttoeinkommens, das Beschäftigte im Produktions- und Dienstleistungssektor erhalten. Ihre Kaufkraft beträgt laut Eurostat nur 45 Prozent im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Mit diesen Werten liegt Österreich etwa im europäischen Mittelfeld.

Ein angemessener Lebensunterhalt lässt sich mit dem Übersetzen von Literatur nirgends verdienen, auch nicht bei voller Auslastung und kontinuierlicher Tätigkeit. Und die ist leider für österreichische ÜbersetzerInnen nur in wenigen Fällen Realität. Die überwiegende Mehrheit ist gezwungen, das Übersetzen mit anderen Tätigkeiten zu kombinieren. Das hat mit den niedrigen Honoraren zu tun, aber auch mit dem Standortfaktor, das heißt der kleinteiligen Verlagsszene in Österreich mit wenigen regelmäßigen Auftraggebern für Übersetzungen, und der Tatsache, dass die „Großen“ in Deutschland und der Schweiz sitzen: Übersetzen ist Vertrauenssache, und aus der Ferne ist es weitaus schwieriger, die notwendigen Kontakte aufzubauen.

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen herrscht kein Mangel an Nachwuchs. Aber viele springen frustriert ab, noch bevor sie den Einstieg richtig geschafft haben, weil andere Tätigkeiten eben lohnender sind. Wenn die Kontinuität fehlt, leidet auch die Qualität, nicht zuletzt jene des interkulturellen Dialogs. Verbesserungen müssen auf verschiedenen Ebenen kommen, und hier ist die Kulturpolitik gefordert. Auf EU-Ebene gibt es bereits ein Problembewusstsein, und die Europäische Kommission hat kürzlich auf einer Konferenz zum Thema ihre Unterstützung zugesagt.

Brigitte Rapp ist literarische Übersetzerin und Geschäftsführerin der Übersetzergemeinschaft. Diese setzt sich für die Verbesserung der sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen, für höhere Honorare und bessere Verträge ein, bemüht sich, die Arbeit der literarischen ÜbersetzerInnen durch Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit sichtbar zu machen, und bietet ihren Mitgliedern Beratung, Weiterbildung und Vernetzungsmöglichkeiten an.

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