Mit vorgehaltener Waffe

Von Redaktion · · 2014/07

Thailands Armee will die Kritik im Land beenden. Ihr repressives Vorgehen wird aber kaum zu einer Versöhnung der verfeindeten Lager beitragen. Eine Analyse von Florian Reinold.

Die Kulisse Anfang Juni am Victory Monument, einem Kriegsdenkmal in Bangkok, erinnert an ein Volksfest. Auf einer Bühne zeigt eine Tanzgruppe ihr Können, Essen und Getränke gibt es umsonst und mehrere Bands sorgen für die musikalische Unterhaltung. Soweit so gewöhnlich – würden die Bands keine patriotischen Lieder spielen, die Tanzgruppe keine Tarnkleidung tragen und Soldaten nicht mit BesucherInnen für Fotos posieren. Das Spektakel gehört zur Kampagne „Return Happiness to the Public“. Veranstalter ist Thailands neue Militärregierung, die neben weitreichenden Reformen des aus ihrer Sicht korrupten Systems auch die Versöhnung des Landes vorantreiben will. Jegliche Kritik an der Vorgehensweise wird systematisch unterbunden.

Wenige Stunden nach dem Putsch am 22. Mai begann die Armee per Fernsehansprache Personen vorzuladen – mittlerweile sind es mehr als 300. Dazu zählen PolitikerInnen, AkademikerInnen, AktivistInnen und JournalistInnen, viele von ihnen hatten sich kritisch über das Militär geäußert. Sie alle wurden bis zu sieben Tage in Armeestützpunkten festgehalten. Wer nicht erscheint, dem droht eine Anklage vor dem Kriegsgericht. Der Journalist Pravit Rojanaphruk beschrieb seine Inhaftierung als „Big Brother Camp“ und psychologische Kriegsführung – körperlich bedroht wurde aber niemand. Vor der Entlassung ist eine Erklärung zu unterzeichnen, sich bis auf Weiteres nicht politisch zu betätigen.

Die Angst vor einer Eskalation des lange schwelenden politischen Konflikts in Thailand ist groß, manche befürchten gar einen Bürgerkrieg. Auslöser des jüngsten Coups waren Demonstrationen von RegierungsgegnerInnen in Bangkok, die den Rücktritt der Regierung von Yingluck Shinawatra forderten. Doch auch nachdem die Premierministerin diesen verkündete und Neuwahlen ausrief, ließen ihre GegnerInnen nicht locker. Sie blockierten die Neuwahlen und forderten eine umfassende Reform des politischen Systems vor neuen Wahlen. Immer wieder wurden die Proteste von Gewalt überschattet.

Von Oktober 2013 bis Mai 2014 starben bei den Demonstrationen 28 Menschen. Als sich im Mai RegierungsanhängerInnen im Umland Bangkoks formierten, drohte die Situation weiter zu eskalieren. Nach Angaben des Armee-Chefs Prayuth Chan-Ocha musste die Armee einschreiten, um die Ordnung im Land wiederherzustellen.

Die Wurzeln des Konflikts sind tief in der thailändischen Gesellschaft verankert. Vereinfacht ausgedrückt stehen auf der einen Seite die traditionellen königstreuen Bangkoker Eliten, die seit der Einführung der konstitutionellen Monarchie 1932 versuchen, ihren Einfluss und ihre Macht zu erhalten. Auf der anderen Seite stehen der bevölkerungsreichere ländliche Norden und Nordosten Thailands. Dessen BewohnerInnen profitierten bislang wenig vom Wohlstand und werden von den Eliten oft als Bürger zweiter Klasse abgetan. Die Situation änderte sich jedoch radikal, als der Geschäftsmann Thaksin Shinawatra die politische Bühne betrat. Mit populären Programmen, etwa einer 1-Euro-Krankenversicherung, gewann er 2001 die Gunst der unterprivilegierten Wählerschicht und wurde Premierminister. Als die Thaksin-Regierung nach einem Erdrutschsieg bei den Wahlen 2005 noch mehr Macht erhielt und Vorwürfe gegen Thaksin wegen Korruption und Nepotismus aufkamen, beendete ein Militärputsch 2006 seine zweite Amtszeit. Obwohl sich Thaksin wegen einer drohenden Haftstrafe ins Ausland absetzte, gewannen ihm nahestehende Parteien die beiden folgenden Wahlen. Sie überstanden aber keine Legislaturperiode ohne entweder gerichtlich abgesetzt oder wie jüngst aus dem Amt geputscht zu werden.

Die Armee inszeniert sich in diesem Machtkampf gerne als neutrale Retterin der Demokratie. Doch die Führungsriege wird eher den traditionellen Eliten zugeordnet. Laut General Prayuth soll die „parlamentarische Diktatur“ der Shinawatra-Familie beendet werden; das Vorgehen der Armee entspricht den Forderungen der Opposition: „Reformen vor Wahlen“. Prayuth rechnet erst in 15-18 Monaten mit Neuwahlen.

Zweifellos hat das Militär durch seine Machtübernahme vorübergehend für Frieden gesorgt und die Protestlager aufgelöst. Doch das ist kurzfristig gedacht. Das einseitige Vorgehen der Armee, die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit und die geplanten Reformen unter vorgehaltener Waffe sind äußerst riskant. Denn anstatt zu versöhnen, vertieft es womöglich die Gräben zwischen den Konfliktparteien. Dann hilft auch ein Volksfest nicht mehr.

Der Autor lebt in Bangkok, beschäftigt sich wissenschaftlich mit Südostasien und schreibt für den deutschsprachigen Thailand-Watchblog www.passauwatchingthailand.com.

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