„Nichts kann diesen Prozess stoppen“

Von P. Simon-Pierre Metena M’nteba · · 2004/11

Staaten beginnen als Ideen in den Köpfen der BürgerInnen, meint P. Simon-Pierre Metena M’nteba. SÜDWIND-Redakteurin Martina Kopf sprach mit ihm auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft „Soziale Gerechtigkeit“ der Jesuiten in Wien.

M’nteba, von 1995 bis 2001 Provinzial der Jesuiten in Zentralafrika, hat sich der politischen Bildung verschrieben. Sie ist ihm ein dringendes karitatives Anliegen, nachdem er die schweren Krisen der Region aus nächster Nähe miterlebt hat. Bis 1998 gehörten neben seinem Heimatland, der DR Kongo, auch Ruanda und Burundi zur Ordensprovinz.

Südwind: Welche Chancen hat Demokratie in Afrika heute?
M’ntebad:
Ich würde niemals wie Jacques Chirac behaupten, die afrikanischen Völker seien noch nicht reif für Demokratie. Vielleicht wollen sie die Modelle von Demokratie nicht, die man ihnen aufs Auge drückt. Was wir brauchen, ist ein Prozess, der die ganze Bevölkerung, alle Intellektuellen und alle Entscheidungsträger einbezieht, um ein demokratisches – oder, wie ich es lieber nenne, ein konstitutionelles Regierungsmodell zu entwickeln. Das heißt nichts weniger, als dass Menschen in ihren Beziehungen zu anderen nicht einfach nach Willkür handeln, sondern nach einer Verfassung, die alle mit unterschrieben haben. Unsere Politiker müssen akzeptieren, dass die Zeiten vorbei sind, in denen sie regieren konnten, wie es ihnen gerade gepasst hat. Persönlich sehe ich nichts, was diesen Prozess stoppen könnte.

Gibt es in Afrika südlich der Sahara aktuell Modelle funktionierender Demokratien? Wie ist es mit Senegal?
Senegal hat uns gezeigt, dass ein Machtwechsel möglich ist, ohne dass es dafür eine Revolution oder bewaffnete Konflikte geben muss. Das Land hat bereits eine gewisse Tradition. Senegal hatte mit Senghor einen Präsidenten, der versucht hat, das Land auf der Grundlage einer vernünftigen Diskussionskultur zu führen. Und auch der jetzige Präsident Abdoulaye Wade geht in diese Richtung. Doch haben wir uns das Gleiche von Côte d’ Ivoire gedacht, hatte der langjährige Präsident Houphouët-Boigny seine Machtübergabe doch gut vorbereitet. Paradoxerweise ist dort die Situation aber außer Kontrolle geraten. Im Großen und Ganzen demokratisch läuft es zur Zeit in Südafrika. Doch Südafrika hat seine eigene Geschichte und Tradition.

Sie sehen politische Bildung als Schlüssel dazu, bestehende Macht- und Gewaltverhältnisse zu verändern. Wie stellen Sie sich diese Bildungsarbeit konkret vor?
Am meisten inspiriert mich zur Zeit, was die Jesuiten auf Sizilien im Kampf gegen die Mafia entwickeln. Man kann die Mafia nicht mit Waffen bekämpfen, aber man kann die Bevölkerung aufklären. Die Leute müssen selbst begreifen, was sie verlieren und was sie gewinnen, wenn sie mit der Mafia zusammen arbeiten. Dann erst können sie entscheiden, wie sie sich dazu verhalten. Der Staat erklärt nicht, warum eine Entscheidung getroffen wird. Dafür braucht es gut informierte Leute, die vermitteln und den Menschen an der Basis sagen: Seht ihr, diese Entscheidung wurde getroffen, und das sind ihre Folgen. Vielleicht erst in zehn Jahren, aber die Entscheidung wird jetzt getroffen, und darum ist es jetzt an euch, etwas vom Staat zu fordern und ihn nicht einfach machen zu lassen. Diese Arbeit braucht nicht nur Zeit. Sie kann auch lebensgefährlich sein, doch sie gehört gemacht. Für mich ist das die Basis für Demokratie und „Good Governance“ in Afrika.

P. Simon-Pierre Metena M’nteba widmet sich zur Zeit in München seiner Promotion in Staatstheorie.

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