Normalisierung in Nahost

Von Gerhard Pulfer · · 1999/11

Auf einer Palästina-Konferenz in Wien wurde emotionslos und mit gegenseitigem Respekt diskutiert. Doch der Wahlausgang in Österreich lag wie ein unheilvoller Schatten über dem Treffen.

Im Nahostkonflikt ist selbst Geschichte immer wieder Ausgangspunkt von heftigen Auseinandersetzungen. Um die Geschichte des Nahostkonflikts zu diskutieren, fanden sich am 10. und 11. Oktober im Wiener Kreisky-Forum Israelis, PalästinenserInnen, US-AmerikanerInnen und RussInnen zusammen: Versuch einer gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung.

Unter den prominenten Historikern und politischen Akteuren befanden sich William Quandt, US-Nahostvermittler in den siebziger und achtziger Jahren, Benny Morris, bekanntester Vertreter der „neuen Historiker“ Israels, Tzaly Reshef, Mitbegründer und führender Aktivist von Peace Now, Rashid Khalidi, ehemaliger Berater der palästinensischen Delegation in den Friedensverhandlungen sowie der aus Syrien stammende und in Deutschland lebende Nahostexperte Bassam Tibi.

Emotionale Kontroversen fanden ebensowenig statt wie rührende Versöhnungsgesten. Es wurde kühl und sachlich diskutiert, die großteils bekannten wissenschaftlichen Ergebnisse als auch die subjektiven Einschätzungen stießen wie selbstverständlich auf wechselseitige Akzeptanz. Einvernehmen herrschte selbst bei der Beurteilung des Osloer Friedensabkommens, dessen Bedeutung – bei allen Kritikpunkten – vorwiegend in der gegenseitigen Anerkennung zwischen Israel und der PLO gesehen wurde. Vielleicht lag der erstaunlich unkontroversielle Verlauf der Veranstaltung daran, daß die Diskussionspartner oftmals als Professoren an westlichen Universitäten lehrten und somit eine gewisse Distanz zum Nahen Osten aufweisen, vielleicht ist er aber auch Ausdruck einer langsam einsetzenden Normalisierung im Nahen Osten.

Beleuchtet wurde auch Österreichs Rolle im Nahostkonflikt, vor allem das Engagement Bruno Kreiskys. Österreichs Geschichte und Gegenwart beeinflußte die Konferenz jedoch noch in anderer Hinsicht. Schon im Vorfeld der Tagung ließ die Absage von Shimon Peres, dem Ex-Premierminister Israels und derzeitigen Minister für Regionale Kooperation, aufhorchen. Peres sagte sein Kommen aufgrund des österreichischen Wahlergebnisses kurzfristig ab.

Uri Avnery, häufiger Gast bei Veranstaltungen in Wien, gilt als die Symbolfigur der radikalen israelischen Friedensbewegung. Der mehrfach ausgezeichnete Friedensaktivist wurde 1923 in Westfalen geboren und erlebte als Kind jüdischer Eltern den Aufstieg Hitlers mit, bis seine Familie 1933 in das damalige Palästina auswanderte. Er sieht derzeit die Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht beeinträchtigt und hält die Erklärungen von Außenminister Levy für übertrieben, den er nicht zu den wichtigsten Personen im Kabinett zählt.

Über Vergangenheitsbewältigung und die israelisch-österreichischen Beziehungen erklärte Avnery gegenüber dem SÜDWIND-Magazin: „Es herrscht Besorgnis in Israel, vor allem bei Juden aus Österreich – zumal Österreich Teil der Holocaust Geschichte ist. Es gibt auch in Israel keine differenzierte Betrachtung der Ereignisse hier. Rechtsradikal, fremdenfeindlich, Neonazi und Antisemit – das alles verschwimmt in Israel. Sollte Haider aber in die Regierung kommen, so würde dies als Umschwung in Österreich interpretiert werden und hätte stärkere Reaktionen zur Folge.“

Avnery gibt zu Bedenken, daß auch Hitler zuerst nur als lächerlicher Demagoge hingestellt wurde, und fügt hinzu: „Ich möchte hier keinen Vergleich ziehen, aber Erinnerungen kommen wieder auf.“

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