Protest mit vielen Gesichtern

Von Peter Nowak · · 2007/07

Widerstand ist möglich, zeigten die Protestaktionen gegen den G8-Gipfel. Und die Themen des Widerstands konnten auch in der etablierten Presse ein großes Echo finden.

So sehen Sieger aus“, rief ein sichtlich zufriedener Werner Rätz in die Menge. Knapp 4.000 Menschen waren am 8. Juni zur Abschlusskundgebung der G8-Proteste in den Rostocker Stadthafen gekommen. Mehr als 15 RednerInnen aus dem gesamten Spektrum der G8-Gegner zogen eine kurze Abschlussbilanz ihrer Proteste. Auch wenn es nicht alle so euphorisch wie der Attac-Vertreter Rätz formulierten, war das Fazit doch einhellig: Die Proteste waren ein Erfolg. Knapp eine Woche vorher hatten die Nerven bei den AktivistInnen des Vorbereitungskreises noch blank gelegen. Selbst die Einheit des Bündnisses, das von Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen Gruppen bis zur Interventionistischen Linken reichte, schien kurzfristig gefährdet. Der Grund waren militante Auseinandersetzungen am Rande der Großdemonstration vom 2. Juni.
Der Zug der weit über 50.000 Menschen aus Deutschland und dem europäischen Ausland sollte den Protestreigen einleiten. Deshalb war der Zorn bei Teilen des Bündnisses groß. Sie befürchteten, dass durch die Konzentration der Medienberichterstattung auf „Schwarze Blöcke“ und autonome Militanz die Kritik an der G8-Politik in den Hintergrund gerückt würde.
Doch bald wurde klar, dass der Protest der GipfelkritikerInnen viele Gesichter hatte. Die zweistündigen Scharmützel zwischen der Polizei und einem Bruchteil der DemonstrantInnen, die von den Medien zur „Schlacht in Rostock“ hochgespielt wurden, waren im Gesamtergebnis der kleinste Ausschnitt der Bilderflut.
Dazu gehörten die Konzerte mit populären Bands verschiedener Musikrichtungen, organisiert von der Initiative „Move against G8“ im Rostocker Stadthafen. Unabhängig davon hatte Herbert Grönemeyer mit weiteren bekannten KünstlerInnen am 7. Juni in Rostock das Konzert „Deine Stimme gegen die Armut“ veranstaltet. „Es sind zwei getrennte Kulturinitiativen. Aber wir betrachten uns nicht als politische Konkurrenz“, meinte ein Sprecher von Move against G8.

Die neue Ernüchterung: Bei den an dem Projekt „Deine Stimme gegen die Armut“ beteiligten KünstlerInnen ist längst Ernüchterung über ihre realen Einflussmöglichkeiten eingetreten. Anders als vor zwei Jahren im schottischen Gleneagles, als Bono noch das Bündnis von Politik, Musik und Zivilgesellschaft beschwor und dafür vielfach heftig kritisiert wurde, betonte Herbert Grönemeyer in einem Interview seine Distanz zu den PolitikerInnen. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass von den Versprechungen von Gleneagles zwei Jahre später kaum etwas realisiert wurde. Die GipfelgegnerInnen quer durch alle Spektren fordern nun mehr Druck und Widerstand statt unverbindlicher Dialoge mit den Herrschenden.
Das war auch der Tenor auf dem gut besuchten zweitägigen Gegenkongress mit vielen Arbeitsgruppen und Podiumsdiskussionen in Rostock, an denen sich hochkarätige KritikerInnen der Globalisierung wie Walden Bello, Jean Ziegler und Vandana Shiva beteiligten.

Zu den medialen Bildern des Protestes gehörte auch das selbst organisierte Leben von über zehntausend Menschen in drei Protestcamps rund um Heiligendamm. Allein der Aufbau der Infrastruktur war ein finanzieller und organisatorischer Kraftakt für die nicht besonders starke und zersplitterte Linke in Deutschland. Und da waren schließlich noch die Blockaden rund um Heiligendamm, die das Bild der Proteste im In- und Ausland nachhaltig prägen sollten. In den frühen Morgenstunden des 5. Juni hatten sich Tausende auf den Weg gemacht, hatten Wälder und Felder überquert, mit zuvor eingeübter Taktik die Polizeikräfte überlistet und Heiligendamm gesperrt. Am Mittwochmittag meldeten die Nachrichtenagenturen, dass der Schauplatz des Gipfels nicht mehr auf dem Landweg zu erreichen wäre.
Die Infrastruktur für das Treffen der selbst ernannten HerrscherInnen der Welt musste per Schiff und Hubschrauber zum Tagungszentrum transportiert werden. Man habe wegen der großen Zahl der BlockiererInnen von einer flächendeckenden Räumung abgesehen, erklärte später Knut Abramowski von den Sicherheitskräften. Die Polizeikräfte beschränkten sich auf den Schutz des Zauns, der den Gipfelort vom Rest der Welt trennte. Nach mehr als zwei Tagen beendeten die DemonstrantInnen ihre Aktion von sich aus.
Bei allem Selbstlob, dass sich die ProtestorganisatorInnen jetzt kräftig selbst austeilen, darf nicht vergessen werden, dass die Blockaden wenig Auswirkungen auf den Gipfelablauf selbst hatten. Trotzdem vermittelt die Protestwoche von Rostock und Heiligendamm die wichtige Erfahrung für viele Menschen, dass Widerstand möglich ist.

Der Autor lebt als freier Journalist in Berlin.

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