Renaissance einer Ziffer

Von Irmgard Kirchner · · 2002/02

Das 0,7%-Ziel ist wieder „in“ – und so ernst gemeint wie selten zuvor.

Sie war bereits zum politischen Ritual erstarrt – und jetzt feiert sie ihr Comeback: Die Forderung an die Industrieländer, 0,7% ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zur Verfügung zu stellen. Das 0,7%-Ziel war schon 1970 von der Generalversammlung der UNO beschlossen und von Österreich wie von den meisten Industrie-Staaten wiederholt bekräftigt worden. Doch seine Umsetzung lässt bis heute auf sich warten: Im Durchschnitt wenden die EU-Länder 0,32 Prozent ihres BIP auf, Österreich liegt mit 0,23% an viertletzter Stelle.

Vergeblich hat sich die AGEZ, der Dachverband der heimischen Entwicklungsorganisationen, bemüht, das 0,7%-Ziel im Entwurf eines neuen EZA-Gesetzes festzuschreiben (siehe auch SWM 7-8/2001).


Doch dann kam der 11. September 2001, und möglicherweise hat Usama bin Laden geschafft, was jahrzehntelange Lobby- und Kampagnenarbeit der Entwicklungsorganisationen sowie Beschlüsse etlicher UN-Konferenzen nicht geschafft haben: ein neues Verständnis weltweiter gegenseitiger Abhängigkeit von armen und reichen Ländern; das Thema „Entwicklung“ wurde auch als Frage der Sicherheit begriffen.

Der EU-Ministerrat beauftragte am 8. November des Vorjahres die zuständige Kommission, mit den einzelnen Mitgliedsstaaten einen individuellen Zeitplan zur Erreichung des 0,7%-Zieles zu erstellen.

Und das ist offenbar ernster gemeint als je zuvor. Im März berät die UNO auf einer hochrangigen Konferenz in Monterrey in Mexiko über die zukünftige Finanzierung von Entwicklung. Die EU möchte dort bereits einen Rahmenplan zur Erhöhung ihrer Entwicklungshilfe vorlegen.


Das 0,7%-Ziel kann nur erreicht werden, wenn neben zusätzlichen nationalen Ressourcen neue Geldquellen erschlossen werden. Und dazu müssen Finanzierungsinstrumente geschaffen werden, die dem fortgeschrittenen Grad der Globalisierung Rechnung tragen: internationale Steuern auf grenzüberschreitende Finanztransaktionen etwa oder eine Besteuerung der Nutzung und Verschmutzung der „Global Public Goods“, der „globalen öffentlichen Güter“ wie Luft, Weltmeere, Weltall …

Derartige Instrumente bringen nicht nur „frisches“ Geld, sie machen auch gänzlich neue Ansätze in der internationalen Politik notwendig: die Herausbildung einer neuen „Weltordnungspolitik“, die den bisher mangelhaft regulierten Raum des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems in die Politik integriert. Als Ordnungsmacht dabei ist derzeit niemand anderer legitimiert als die Vereinten Nationen. Utopie? Viele politische Errungenschaften haben als Utopien angefangen. Eine riesige neue Herausforderung für das Denken und Handeln der Akteure der Entwicklungspolitik. Doch jede Mühe wert.


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