Saurer Geldregen aus Österreich

Von Corinna Milborn · · 2003/04

Mit dem Instrument der Exportförderung werden oft zerstörerische Großprojekte finanziert, ohne Umwelt- und Sozialstandards und unter völliger Geheimhaltung. Etwa Staudämme und Papierfabriken in Entwicklungsländern. Eine Kampagne namens eca-watch zeigt diese Missstände auf.

Avi Mahaningtyas zieht ihr indonesisches Tuch enger um die schmalen Schultern. „Auf Sumatra, Indonesien, sitzen sechzehn Personen, darunter eine Priesterin, seit November im Gefängnis, weil sie gegen eine Papierfabrik demonstriert haben“, erzählt sie. Avi kommt von der indonesischen Umwelt- und Frauen-Organisation NADI, die gemeinsam mit den Inhaftierten und 50.000 weiteren Anrainern gegen die Wiedereröffnung einer giftspeienden Papierfabrik protestierte. In der Fabrik stehen österreichische Maschinen. Finanziert wurde sie unter anderem mit Geld aus Österreich. Deshalb kam Avi im März nach Wien.
Die DemonstrantInnen wollten verhindern, worunter sie bis vor vier Jahren – bevor die Fabrik aufgrund massiver Proteste geschlossen wurde – täglich litten: Die Abwässer der Fabrik vergifteten die Flüsse in der Umgebung, verursachten brennende Ekzeme und Ausschläge, verseuchten das Trinkwasser. Und der Wald verschwindet in beängstigender Geschwindigkeit: Das Holz, das hier zu zwei Millionen Tonnen Zellstoff jährlich verarbeitet wurde, stammte zu 90 Prozent aus dem Urwald. Bei der derzeitigen Abholzungsrate wird der Regenwald im Jahr 2005 verschwunden sein, schätzt die Weltbank. Jetzt geht die Fabrik wieder in Betrieb, und die Bevölkerung wehrt sich.
Wenn Avi Mahaningtyas von den Verhaftungen spricht, wird ihre Stimme brüchig: „Folter ist in indonesischen Gefängnissen kein Fremdwort.“

Die Maschinen für diese und weitere Papierfabriken lieferten die österreichischen Unternehmen Simmering-Graz-Pauker und Andritz. Der Kauf wurde mit österreichischen Exportgarantien, vergeben von der Kontrollbank, abgesichert: Geht irgendetwas schief, springt der Steuerzahler ein und zahlt. Und genau das ist jetzt der Fall: Der Konzern Asia Pulp & Paper ist bankrott, die Schulden aus seinen sieben ökologisch, sozial und wirtschaftlich katastrophalen Fabriken auf Sumatra werden mit indonesischem und österreichischem Steuergeld getilgt. „Ohne Exportförderung aus Österreich hätten diese Fabriken gar nicht erst gebaut werden können. Sie sind eines der erschütterndsten Beispiele dafür, was Geld aus Österreich anrichten kann“, erklärt Avi.
Um Projekte wie diese Papierfabriken in Zukunft zu verhindern, haben über hundert Organisationen eine weltweite Kampagne unter dem Namen eca-watch gestartet: Sie fordern Umwelt- und Sozialstandards und Transparenz für Exportkredite. Denn die Exportkreditagenturen (ECAs) der Industrieländer – in Österreich ist das die Kontrollbank – finanzieren immer öfter jene katastrophalen Großprojekte, die von der Weltbank und anderen Finanzinstitutionen aus Umwelt- und Sozialgründen abgelehnt werden. Der Drei-Schluchten-Damm in China, für dessen Bau weit über eine Million Menschen umgesiedelt werden müssen, ist so ein Beispiel. Trotzdem weiß kaum jemand um dieses Problem. „Exportkredite sind das schmutzigste Geheimnis der Globalisierung“, meint Martina Neuwirth von der KOO (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz), Vertreterin der österreichischen Kampagne.

Anders Lustgarten vom Kurdish Human Rights Project mit Sitz in London kam im März ebenfalls mit einem dringenden Anliegen nach Österreich: Er will verhindern, dass weitere Staudämme in der Türkei mit österreichischem Geld gebaut werden. Im Rahmen des Süd-Ost-Anatolienprojekts sollen an den Flüssen Euphrat und Tigris über 90 Staudämme entstehen. Zwölf sind bereits gebaut, darunter der Atatürk-Damm. „Die Türkei hat jetzt schon einen Überschuss an Energie. Die Dämme haben keinen wirtschaftlichen Nutzen: Der türkische Staat baut sie, um die kurdische Bevölkerung zu zersplittern und zu vertreiben“, erklärt Anders Lustgarten.
Auch hier ist Geld aus Österreich im Spiel: Über 200 Millionen Euro österreichischer Exportgarantien und –kredite stecken in den Staudämmen, Österreich ist der drittgrößte Finanzier. Das derzeit umstrittenste Projekt ist der geplante Ilisu-Damm: Mit einer Staumauer höher als der Stephansdom würde er über 40 Dörfer und Kleinstädte überfluten, darunter die älteste anatolische Stadt, Hasankeyf. 78.000 Kurdinnen und Kurden müssten zwangsumgesiedelt werden. Der Damm sollte mit Exportkrediten aus England, der Schweiz, Deutschland, Italien, den USA und Österreich finanziert werden. Mittlerweile haben sich aufgrund der Proteste fast alle Firmen zurückgezogen – übrig geblieben ist die österreichische VA Tech, die die Bauleitung übernommen hat. „Sollte der Damm in Bau gehen, wird sicher in Österreich um Exportkredite angesucht“, sagt Lustgarten. Derzeit liegt allerdings kein Antrag vor.

Die VA Tech ist – gemeinsam mit der STRABAG – auch in den Bau eines noch dringlicheren Projektes im Kurdengebiet der Türkei verwickelt: Im größten Nationalpark der Türkei am Fluss Munzur soll eine Kette von acht Staudämmen gebaut werden, geplanter Baubeginn ist bereits im Frühjahr 2003. 40.000 Menschen würden ihre Heimat verlieren, die einmalige Natur zerstört werden. „Dieses Projekt ist Wahnsinn. Es dürfen auf keinen Fall österreichische Exportkredite dafür verwendet werden“, fordert Lustgarten. Ob das geplant ist, ist auch bei den unmittelbar Zuständigen nicht zu erfahren: Alle Informationen rund um Exportkredite sind streng geheim.
„Österreich ist in punkto Transparenz sicher eines der zurückgebliebensten Länder“, meint Martina Neuwirth. In Australien etwa werden Umweltverträglichkeitsprüfungen 45 Tage vor Projektbeschluss auf der Website der Exportkreditagentur veröffentlicht. In Österreich erfährt nicht einmal das Parlament, welche Projekte gefördert werden.
Die österreichische Kampagne eca-watch versucht, diesen Missstand zu ändern. Seit zwei Jahren stehen die Organisationen in einem Dialog mit der Kontrollbank und der Wirtschaftskammer. „Es hat auch schon kleine Schritte in die richtige Richtung gegeben“, bewertet Martina Neuwirth den Prozess. „Um diesen unglaublichen Missstand aber abzuschaffen, ist eine Gesetzesänderung nötig.“
Das wird auch das nächste Ziel der Kampagne: Im Jahr 2005 läuft das Ausfuhrförderungsgesetz aus. „Die Neufassung muss Umwelt- und Sozialstandards vorschreiben, damit Katastrophen-Projekte in Zukunft nicht mit unserem Steuergeld im Rücken finanziert werden“, hofft Neuwirth. Avi Mahaningtyas hofft mit ihr: Österreich ist der härteste Brocken. Sie fährt weiter nach Finnland – denn dort hat die Regierung beschlossen, vorerst keinen Cent mehr in Papierfabriken in Indonesien zu investieren. Ein Beschluss, der auch Österreich gut anstehen würde. Doch davon sind wir weiter entfernt, als man es einem „Umweltmusterland“ zutrauen würde: Österreich hat sogar abgelehnt, sich an einer Evaluierung zu beteiligen. Viel zu tun für eca-watch.

Corinna Milborn ist Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Globalisierung. Sie lebt als freie Journalistin und NGO-Beraterin in Wien und koordiniert eca-watch austria – die österreichische Kampagne zur Reform der Exportförderung.

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