Schuldenstreichung auf dem Prüfstand

Von Valentin Solder · ·
Rotes Buchcover mit Geldbündeln und dem Titel

Ein neues Buch rechnet mit westlicher Doppelmoral in der globalen Schuldenfrage ab – und stellt die Debatte über eine gerechte Weltwirtschaft vom Kopf auf die Füße.

Deutschland profitierte 1953 von einem Schuldenerlass, der die wirtschaftliche Erholung nach dem Zweiten Weltkrieg erst ermöglichte. Wenn heute jedoch Länder des Globalen Südens einen vergleichbaren Schritt fordern, stoßen sie auf massiven Widerstand. Das Buch „Wer schuldet wem etwas?“ von Robin Jaspert, Nico Graack und Lara Wörner zerlegt westliche Schuldendiskurse – und macht sich für eine bedingungslose Schuldenstreichung für Länder des Globalen Südens stark. Es ist der Auftakt der neuen Reihe Westend Polemics, die sich zum Ziel gesetzt hat, provokativ und gleichzeitig fundiert gesellschaftspolitische Debatten anzustoßen.

Die Autor:innen begründen ihre Position nicht nur moralisch, sondern auch historisch und wirtschaftlich – und beleuchten die Verstrickungen von Kolonialismus, Klimakrise und globaler Ungleichheit. Das oftmals ausgeblendete Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte beweist: Die Streichung von Staatsschulden ist möglich. Stattdessen predigt Deutschland nun aber anderen Ländern wirtschaftliche Disziplin. Diese Doppelmoral wird klar benannt. Die Autor:innen nehmen gängige Narrative aus deutschen Medien – von „faulen“ Staaten bis hin zu angeblichen „korrupten und verschwenderischen“ Regierungen – auseinander und analysieren diese als verkürzte, teils rassistisch geprägte Abwehrreaktionen. Diese wiederkehrenden Klischees werden als „Bullshit-Diskurse“ bezeichnet – ein provokanter Ton, der zur Grundhaltung des Buchs passt.

Klar aber knapp
Die direkte und klare Sprache, die komplexe globale Zusammenhänge verständlich macht, ist eine Stärke des Buches. Doch auf rund 100 Seiten lassen sich nicht alle Dimensionen des Themas tiefgehend behandeln, was dazu führt, dass viele Ideen eher oberflächlich bleiben. Manche Argumente muss man erst einmal so hinnehmen. Dennoch ist das Buch ein gelungener Appetizer für all jene, die sich intensiver mit einer kolonial geprägten Schuldenwirtschaft auseinandersetzen möchten.
„Wer schuldet wem etwas?“ ist ein engagiertes, aber auch streitbares Plädoyer für globale Gerechtigkeit – und ein Ansporn, gegen die vorherrschende Schuldenpolitik im internationalen Finanzsystem aufzubegehren.

Valentin Solder studiert Volkswirtschaft an der WU Wien und ist beim Südwind-Magazin sonst für die Anzeigenakquise verantwortlich.

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