Sterben für die große Show

Von Christina Bell · · 2013/12

Katar rüstet sich für die Fußball-WM 2022 – unter bedenklichen Bedingungen.

Ein im September im britischen Guardian veröffentlichter Artikel stellte Menschen ins Rampenlicht, die normalerweise im Hintergrund bleiben: die nepalesischen GastarbeiterInnen in Katar. Konkreter: die miserablen Arbeitsbedingungen, unter denen diese am zukünftigen WM-Austragungsort Prestigebauten errichten. Die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 an den Golfstaat hatte 2010 für Überraschung gesorgt, auch wegen der nicht vorhandenen Infrastruktur. An dieser wird nun fleißig gebaut – hauptsächlich mit Arbeitskräften aus Ländern wie Indien, Pakistan oder Nepal.

370.000 NepalesInnen arbeiten offiziell in Katar, die Dunkelziffer liegt mit 500.000 allerdings weitaus höher, erklärt Ramesh Badal, Vertreter der nepalesischen Gewerkschaft GEFONT, der auf Einladung des ÖGB Anfang Oktober in Wien weilte. Seit Jänner 2012 sind mehr als 400 von ihnen im Gastland gestorben, die meisten laut Angaben der Behörden eines natürlichen Todes etwa durch Herzinfarkt, erzählt Badal gegenüber dem Südwind-Magazin: „Die Arbeiter arbeiten zehn bis zwölf Stunden bei extremer Hitze auf der Baustelle – ohne Wasser. Wenn sie danach einschlafen und nicht mehr aufwachen, ist das kein natürlicher Tod.“ Verbessert sich die Lage nicht, könnten es bis zum Anpfiff 4.000 Todesfälle sein, warnt der Internationale Gewerkschaftsbund.

Die ArbeiterInnen haben keine gewerkschaftliche Vertretung und kaum eine Chance, sich gegen prekäre Bedingungen zur Wehr zu setzen: Kafala, ein perfides Bürgschafts-System, zwingt sie, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben – egal unter welchen Bedingungen. Dieser bürgt nämlich in der Regel für seine Arbeitskräfte und behält in vielen Fällen deren Pässe bis Vertragsende ein. „Das ist Sklaverei“, konstatiert Badal. Eine internationale Kampagne fordert eine Neuvergabe der WM-Endrunde 2022.

Die Veranstalternation zeigt sich gelassen. „Niemand wird uns die WM wegnehmen“, verlautbarte der Generalsekretär des WM-Organisationskomitees, Hassan Al Thawadi, vor kurzem. Auch die FIFA zeigt bislang keine ernsthaften Absichten, den Austragsort der WM zu verlegen. Beim Termin hingegen ist man sich nicht so sicher. Aufgrund von Zweifeln, ob Temperaturen von bis zu 50 Grad in den Sommermonaten Fans und Spielern zuzumuten seien, wird eine Verlegung in den Winter diskutiert. FIFA-Boss Sepp Blatter hat die Entscheidung auf einen Zeitpunkt nach der WM in Brasilien im kommenden Jahr vertagt.

Das FIFA-Exekutivkomitee will sich am 4. und 5. Dezember in Brasilien noch einmal mit den Vorwürfen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Katar auseinander setzen. Welchen Handlungsspielraum haben Fußballfans in Europa? „Die Menschen dürfen die Augen nicht vor der Sklaverei verschließen. Wo Ausbeutung herrscht, sollten keine Fußballspiele organisiert werden“, so Badal. „Wir müssen weiterhin Druck auf die FIFA ausüben, damit die Behörden in Katar ihre Einstellung ändern und Verbesserungen umsetzen“, gibt sich der Gewerkschafter kämpferisch.

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