Unerwartete Artischocken

Von Rudi Lindorfer · · 2000/09

Wer mit Kindern einkaufen geht, muss damit rechnen, seine Einkaufsliste umzuschreiben. Ein Erfahrungbericht vom Buchhändler unseres Vertrauens.

Kochen ist ein Kinderspiel – wenigstens aus der Sicht unserer Tochter Johanna (4 Jahre). Anfangs gab sie sich auf ihre andauernden Warum-Fragen („Warum muss das heiß werden?“ – „Warum darf ich keinen Pfeffer mehr hineingeben?“ usw.) mit meinem „weil ich der Koch bin“ zufrieden – bis sie eines Tages feststellte: „Mia san da Koch!“

Immerhin beherrscht sie, theoretisch wenigstens, vom Abschmecken über das Nachwürzen bis zum anerkennenden Zungenschnalzen einige der wichtigsten Grundsätze der Küchenarbeit.

Unser tägliches Kochen beginnt auf dem Naschmarkt. Johanna verfügt da über einen Bekanntheitsgrad, der ihre Ernährung, legten wir es darauf an, alleine mit den Geschenken, die sie von den StandlerInnen einhamstern könnte, sichern würde. Und wie die Leute sind ihr auch viele Nahrungsmittel bekannt, was mit sich bringt, dass sie beim Einkauf mitredet. Daher gehen wir vor dem Einkauf auf einen Kaffee („ein kleine Schwarzer und zwei Glas Wasser bitte“) und dann kann es sein, dass aus dem innigst gewünschten Kreolen-Reis z. B. Artischocken werden, weil die ihr gerade ins Auge fallen.

Am besten schmecken sie uns mit Salbei-Zitronen-Butter.

Für vier Personen: Salbeiblätter nach Belieben, 1dag Butter, 1/8 l klare Gemüsesuppe, ca. 2 EL Zitronensaft, 4 Eigelb, zum Würzen Salz und frisch gemahlenen Pfeffer; Salbeiblätter in der Butter anbraten, die restlichen Zutaten beifügen und mit dem Schneebesen kräftig schlagen; kurz vor dem Aufkochen abschmecken – fertig ist der Dip; in das Kochwasser für die vier Artischocken, die vollkommen bedeckt sein müssen, ca. 2 EL Zitronensaft geben, eventuell auch noch etwas klare Gemüsesuppe; die Artischocken ca. eine ˝ Stunde zugedeckt kochen, zumindest aber so lange, bis sich ein Blatt leicht abziehen lässt.

Das Problem auf dem Markt ist, dass es die Jahreszeiten nicht (mehr) gibt. Erdbeeren und Weintrauben im Winter! Es war (und ist) nicht leicht, Johanna klar zu machen, dass Erdbeeren zu dieser Jahreszeit zu Hause nur als Marmelade und Weintrauben nur in veredelter Form auf den Tisch kommen. Eine große Hilfe dabei war das Kinderkochbuch von Marion Söfker: „Meine große Gartenküche“ (Gerstenberg Verlag, Hildesheim 1998, 108 Seiten, A 4, durchgehend farb. ill. ÖS 218,–; zum Alleinekochen für Kinder ab ca. 7 J.; leider ist die Sprache eine ziemlich deutsche), das nach den Jahreszeiten gegliedert ist und auch viele Gartentipps und Spielvorschläge enthält. Und in Ermangelung eines Gartens bestellen wir immer eine „Bunte Kiste“ aus dem Bioladen. Sie enthält nur saisonelle Lebensmittel, im Sommer und Herbst mehr, im Winter und Frühling weniger – wir „ernten“ sozusagen aus der Schachtel und Johannas sonst umherschweifender Blick richtet sich auf das Wesentliche. Dieser Blick entfällt am Naschmarkt dann, wenn sie auf dem Kindersitz eingeschlafen ist und ich das Fahrrad mitsamt Kind an eine freie Stand-Wand lehne und sie so zu einem attraktiven Fotomotiv für Touristen mache.

An solchen Tagen kommt dann der Kreolen-Reis tatsächlich auf den Tisch.

Rudi Lindorfer ist Buchhändler bei Südwind/Buchwelt in Wien und leidenschaftlicher Koch und Vater.

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