Unkonventioneller Entwurf für Mandela-Denkmal

Von Richard Solder · ·
Plan des Nelson Mandela Denkmals, das in Wien errichtet werden wird
Wie das Nelson Mandela Denkmal in Wien aussehen könnte © Marcus Neustetter/SADOCC

Wien soll in der Seestadt Aspern ein Denkmal des großen Kämpfers gegen das Apartheid-Regime und ehemaligen Präsidenten Südafrikas bekommen. Es soll Postkolonialismus und Social Media-Kultur integrieren, erklärt der Historiker und Südafrika-Fachmann Walter Sauer im Interview.

Was steckt hinter der Idee für ein Nelson-Mandela-Denkmal in Wien?
2016 benannte die Stadt Wien den Vorplatz der U2-Station Aspern Nord nach Nelson Mandela – das Lobbying für einen öffentlichen Platz hatte die Anti-Apartheid-Bewegung bereits im Jahr 1986 gestartet. Seit 2017 führt SADOCC, das Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika, jährlich am 18. Juli eine Kulturwanderung durch die Seestadt durch. Dabei entstand die Idee, auf dem Mandela-Platz ein Denkmal zu errichten.

Es soll an antirassistischen Kampf, demokratische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und nationale Versöhnung in Südafrika erinnern, darüber aber auch im Kontext einer speziellen, noch im Aufbau befindlichen neuen Stadtrandsiedlung reflektieren.

Was für ein Kunstwerk soll kommen?
Es gab natürlich lange interne Diskussionen: Sollte es eine klassische Bronzestatue werden, ein abstrakter Granitblock, wollten wir Mandela als Boxer, Häftling oder Elder Statesman zeigen? Daraus entstand die Grundidee: eine geballte Faust, aus der Nelson Mandela hervortritt. An seine Stelle können Passantinnen und Passanten treten.

Die geballte Faust – auch eine Referenz an die Tradition des Roten Wien – steht für Konfrontation und Widerstand, war aber auch eine Form des Grußes, lädt zum Sich-mit-anderen-Engagieren ein, zum Kampf für die eigenen und für die Rechte anderer.

Die Faust und die abgesetzte Mandela-Figur im Vordergrund spiegeln auch die Dialektik zwischen Individuum und Bewegung wider und reduzieren so die Gefahr der Heroisierung. Wer zur U-Bahnstation geht oder sie verlässt, wird angeregt über Demokratie, Meinungsbildung und Sozialität heute zu reflektieren. Information auf der Rückseite stellt den Bezug zu Südafrika her. Unser Entwurf ist auch ein Angebot an die Instagram-Generation, sich als Mandela in die Faust zu stellen und ein Selfie davon zu posten!

Von wem stammt der Entwurf?
Maßgeblich vom südafrikanischen Künstler Marcus Neustetter, der lange Zeit in Sachen „Kunst im öffentlichen Raum“ in Johannesburg tätig war. Am Nelson-Mandela-Tag 2020, in der Covid-Pandemie, gestaltete er mit Kolleginnen und Kollegen aus Port Elizabeth, Bloemfontein und Soweto eine Performance unter dem Titel „Solo – Solidarity – Future“, in der virtuell vier Denkmäler zeitgleich errichtet wurden (Videodoku). Des Weiteren sind die Ergebnisse von Workshops eingeflossen, die SADOCC mit Interessierten in der Seestadt und intern durchgeführt hat.

Wie kommt die Idee bei der Stadt Wien an?
Wir sind froh über die grundsätzliche Unterstützung des Bezirksvorstehers, Ernst Nevrivy, und der Seestadt-Entwicklungsgesellschaft Wien 3420. Die Haltung ist also grundsätzlich positiv, wie schon gesagt, auch von Seiten der Stadtplanung. Jetzt geht es um die künstlerische und technische Finalisierung der Projektidee, die dann dem „Beirat zur Errichtung von Gedenk- und Erinnerungszeichen“ vorgelegt wird – der hat bei Denkmälern etc. ein gewichtiges Wort mitzusprechen.

Gibt es Widerstand?
Bisher nicht, und ich hoffe, dass auch keiner auftreten wird. Allerdings könnte es sein, dass irgendwo noch eine Finanzierungslücke auftritt – dann sehen wir weiter.

Welche vergleichbaren Projekte bestehen schon?
Wir sehen uns in einer Reihe mit anderen Gedenkprojekten, die von der Solidaritätsbewegung initiiert und schon realisiert wurden, darunter der Salvador-Allende-Gedenkstein in Simmering,die Che-Guevara-Büste im Donaupark oder die versteckte José-Rizal-Gedenktafel im ersten Bezirk. Unser Entwurf ist im Vergleich allerdings unkonventioneller, wir haben versucht, postkoloniale Zugangsweisen zu integrieren und eine Verbindung zur Social Media-Kultur zu schaffen.

Interview: Richard Solder

Mehr Infos gibt es bei SADOCC, dem Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika. Die Initiative wird auch beim Südwind-Straßenfest am 3. und 4. Juni im Campus der Uni Wien präsent sein. SADOCC lädt zudem an dieser Stelle herzlich zur nächsten Nelson-Mandela-Tag-Kulturwanderung am 18. Juli ab 17 Uhr ein, bei der auch an die erste Schwarze Akademikerin Südafrikas, Charlotte Maxeke, erinnern werden wird.
www.sadocc.at

Walter Sauer ist Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien und im Vorstand von SADOCC. In seinem neuen Buch hat der Historiker über die Geschichte der sozialen Exklusion und politischen Entrechtung Schwarzer Menschen in Österreich – vom 13. Jahrhundert bis heute – geschrieben: Jenseits von Soliman. Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich – eine Geschichte (Studienverlag, Wien 2022, 272 Seiten, € 36,90).

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