Religiöse Feiertage hat der Staat vor über 100 Jahren abgeschafft. Begangen werden sie unter anderen Namen dennoch, nicht nur von den Gläubigen.
In Südamerika neigt sich der Sommer dem Ende entgegen. Viele Argentinierinnen und Argentinier werden demnächst die letzten warmen Tage für einen Urlaub an den beliebten Stränden des nördlichen Nachbarlandes Uruguay nutzen. Nachdem sie mit dem Auto über eine der internationalen Brücken oder mit der Fähre die Grenze im Río de La Plata überquert haben, befinden sie sich zwar in derselben Zeitzone, aber ihre vorösterlichen Urlaubstage verbringen sie dort in der „Woche des Tourismus“. Die Karwoche gibt´s nicht in Uruguay.
Wirft man einen Blick in den offiziellen Kalender von Uruguay, findet man weder Ostertage noch andere christlichen Feiertage. Statt dem Christtag steht da am 25. Dezember „Tag der Familie“. Den Dreikönigstag feiern die die Uruguayer*innen als „Tag der Kinder“, Maria Empfängnis, der 8. Dezember, wird im Land mit den vielen Badeorten als „Tag des Strandes“ begangen und Ostern fällt eben in die „Woche des Tourismus“.
Privatsache Religion. Auch buddhistische oder islamische Feiertage scheinen im offiziellen Kalender von Uruguay nicht auf. Der Grund: Keiner Religion wird ein solches Privileg eingeräumt. Mehr noch: Auch Kruzifixe und Heiligenbilder wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt. Religion ist in Uruguay schon lange Privatsache.
In Uruguay wurden Kirche und Staat schon vor mehr als 100 Jahren getrennt. Damit unterscheidet sich das Land nicht nur von anderen auf dem südamerikanischen, katholisch geprägten Kontinent, sondern auch von europäischen Staaten. Die Debatten um Laizismus begannen in Uruguay, angeführt von antiklerikalen Liberalen und beeinflusst von den Ideen der Aufklärung, in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1861 wurden die Friedhöfe verstaatlicht. 1885 wurde die standesamtliche Trauung eingeführt und 1907 die Ehescheidung.
Dieser Säkularisierungsprozess wurde jahrzehntelang staatlich gesteuert und mündete 1917 in der Trennung von Staat und Kirche, die im Artikel 5 der Verfassung festgeschrieben wurde. Das sahen die Bischöfe des Landes als Gefahr für das „Seelenheil“ der Gläubigen, ihr Protest war aber erfolglos.
Diskussion rund um Papstbesuch. Nur1987 flackerte eine größere Debatte auf: Als Papst Johannes Paul II. in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo unter freiem Himmel einen Gottesdienst abhielt, wurde extra dafür ein rund 30 Meter hohes Kreuz errichtet. Als die Regierung danach – entgegen den ursprünglichen Plänen – ankündigte, das Kreuz solle als Andenken stehen bleiben, wurde die Zulässigkeit von religiösen Symbolen neu diskutiert. Mit einer knappen Mehrheit im Parlament blieb das Kreuz zwar stehen, aber es kam zu keinen grundsätzlichen Änderungen.
„In einer Studie aus dem Jahr 2014 hat sich gezeigt, dass rund 38 Prozent der Uruguayer*innen keiner Religion angehören. Die Zahl derer, die sich mit religiösen Institutionen identifizieren, ist rückläufig“, erklärt die uruguayische Journalistin und Schriftstellerin María Urruzola. Nur die evangelikalen Kirchen würden aktuell ein Wachstum verzeichnen.
Die strikte Trennung zwischen Kirche und Staat bedeute aber nicht, „dass die Uruguayer und Uruguayerinnen auf persönlicher Ebene nicht an etwas glauben. Achtzig Prozent geben an, das zu tun“, sagt Urruzola.
Und auch wenn es nicht so heißt, werde Ostern gefeiert. „Die katholischen Gläubigen gehen in die Messe“, sagt Urruzola. Und ja, auch in Uruguay würden Eier versteckt und gesucht. Auf jeden Fall genießen neben Tourist*innen auch viele Uruguayer*innen während der „Woche des Tourismus“ die letzten Sommertage des Jahres am Strand.
Camilla Landbø berichtete von 2006 bis 2013 aus Buenos Aires, ab 2017 aus La Paz in Bolivien. Aktuell pendelt die freie Journalistin zwischen Spanien, der Schweiz und Südamerika.
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