Vertraut den Herren der Konzerne!

Von Werner Hörtner · · 2003/03

Die „Wiedergewinnung des Vertrauens“ war ein Hauptthema des Weltwirtschaftsforums in Davos. Aber die Menschen sind misstrauisch geworden.

Früher war alles viel besser, ja, als uneingeschränkter Wirtschaftsliberalismus und Turbokapitalismus auf vollem Erfolgskurs dahinbrausten, als die New Yorker Twin Towers noch stolz eine unverletzliche Konsum- und Machbarkeitsideogie symbolisierten und die Globalisierung der Macht der Konzerne ewigen Wohlstand versprach – einem Teil der Weltbevölkerung zumindest. Doch an jenem 11. September stürzten nicht nur die Türme ein: ein ganzes System, eine ganze Ideologie wurde in den Grundfesten erschüttert.
Nunmehr brechen auch mächtige Unternehmen der Weltwirtschaft zusammen oder kränkeln; Geschäftspraktiken werden enthüllt, die man den ehrenwerten Spitzenmanagern nie zugetraut hätte: kriminelle persönliche Bereicherung, Bilanzfälschungen und andere Irreführungen der Öffentlichkeit. Die Börsen reagieren „nervös“, wie man so nett sagt, und viele „kleine“ AnlegerInnen müssen erleben, wie sich ein guter Teil ihres Ersparten in Nichts auflöst. Sie ärgern sich, den Versprechungen geglaubt zu haben, fühlen sich betrogen. 74 Prozent der US-AmerikanerInnen misstrauen bereits dem Big Business, und in Europa glauben angeblich sogar 83 Prozent, dass die Manager nur auf sich selbst schauen.

Nunmehr sind es die großen Unternehmen, die larmoyant diesen Vertrauensschwund beklagen und von der Öffentlichkeit Vertrauen einfordern. Das Vertrauen ist plötzlich nicht mehr nur eine psychologische oder markttechnische Qualität, sondern es ist als ökonomische Kategorie (wieder) entdeckt worden. Ein gemeinsames Wir wird beschworen: „Wir“ – die Unternehmen und die KonsumentInnen – seien ja alle wie eine große Familie, und in der ist Vertrauen immer noch der beste zwischenmenschliche Transmissionsriemen. Aber immer mehr Menschen werden misstrauisch.

Mit welcher Legitimitation fordern nun die Unternehmen Vertrauen ein? Wenn sie schon auf wirtschaftlicher Ebene versagen oder in schiefes Licht geraten (zugegebenermaßen sind „anständige“ Profitraten immer noch das wichtigste Argument für die Bevölkerung), auf welcher anderen Ebene haben sie denn Vertrauen geschaffen? Auf der der Wirtschaftsethik oder der Geschäftsmoral etwa? Oder hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten? Durch besondere Verantwortlichkeit gegenüber Umwelt und Zukunft unseres Planeten? Die Antwort auf diese Fragen dürfte nicht schwer fallen.
Das Vertrauen in den Markt muss wieder aufgebaut werden, sagen die Wirtschaftsführer und -strategen, sonst gebe es keine Wiederbelebung der Konjunktur. Vielleicht sollten sich die Herren doch ernsthaftere und hintergründigere Gedanken darüber machen, was falsch gelaufen sein könnte in diesem System. Ich selbst zumindest kann keinem System vertrauen, das mich allein als Rechengröße zur Gewinnmaximierung betrachtet – auch wenn ich vordergründig dadurch profitieren kann – und das durch sein Handeln die Lebensbedingungen von vielen Millionen Menschen auf dieser Welt immer weiter verschlechtert.

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