Vielfalt der Kulturen

Von Brigitte Pilz · · 2001/02

ťDanke, ich bin fein!Ť

Besorgte Wächter der deutschen Sprache schlagen Alarm. Es gehe nicht an, dass tadellose deutsche Begriffe durch Anglizismen ersetzt werden. Sportreporter sprechen von „Events“, „Highlights“ und gut „getimten“ Flanken. Firmen benutzen „Outsourcing“, „Downsizing“ und „Lean Management“ (nicht zuletzt, um dadurch zu tarnen, dass Personen entlassen und Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlegt werden). Von der „Clinton Administration“ wird gesprochen statt von der Regierung Clinton, von einer „Inauguraladresse“ statt einer Antrittsrede. In schlampig synchronisierten amerikanischen Serien hört man schon einmal: „Dies ist mein Platz“ statt „Hier bin ich zu Hause“. Oder: „Wie sind Sie? Danke, ich bin fein.“

In Frankreich hat der Staat 1994 Schutzbestimmungen für einheimisches Wortgut erlassen. Eine derartige Reglementierung ist in deutschsprachigen Ländern nicht geplant. Doch die Überfremdung bereitet große Sorge. Am Rande bemerkt: Der Duden enthält 500.000 Einträge; bei den Anglizismen spricht man von ein paar Tausend. Dennoch: Ist hier bereits Sprachvernichtung im Gange, die Kolonisierung eines wertvollen Kulturgutes?

Andererseits: Der Schweizer Literat und Afrikakenner Al Imfeld berichtet von Kojo Laing, dem großen sprachgewaltigen Fabulierer aus Ghana. Er schreibt moderne Stadtromane, und er benutzt dafür eine eigene Sprache. Al Imfeld: „Er muss immer wieder Worte erfinden und das traditionelle Englisch umbiegen, um an die neuen Töne modernen afrikanischen Lebens heranzukommen.“ Der Begriff PidginEnglisch dürfe auf seine Sprache keinesfalls angewendet werden, sagt Kojo Laing („epd“, 6/00).

Bleibt die Frage: Wo ist die Grenze zwischen Weiterentwicklung von Sprache und ihrer Vernichtung? Die Frage gilt für die gesamte Kultur. Sie ist nichts Statisches. Stillstand von Kultur bedeutet ihren Tod. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch unser Schwerpunkt zu Kultur und Entwicklung in Zeiten der Globalisierung.

Wichtig scheint, was die UNESCO im Laufe einer bereits dreißigjährigen Diskussion erarbeitet und 1995 in dem Bericht „Our Creative Diversity“ dargelegt hat. Demzufolge kann Entwicklung „nicht länger als ein einziger, überall gleicher und linearer Weg gelten“, weil damit die menschlichen Möglichkeiten „auf gefährliche Weise“ begrenzt würden.
Stattdessen wird für alle Kulturen ein eigenständiger Weg von Modernisierung gefordert, der auch beinhaltet, das jeweilige Entwicklungsziel selbst zu bestimmen.


„Wie kann Afrika zum jetzigen Zeitpunkt selbständig denken, wenn das Bewusstsein sehr vieler Afrikaner bis in die tiefsten Schichten seiner Begrifflichkeit hinein kolonialisiert bleibt?“
(Kwasi Wiredu, Philosoph aus Ghana)

„Zivilisation ist, wenn man eine Badewanne besitzt, und Kultur ist, wenn man sie benutzt.“
(Volkstümlicher Spruch)

„Gelänge es, Demokratie auf das aus der afrikanischen Tradition überlieferte Konsensprinzip zu gründen, so führte das, wie ich glaube, zu einer Form von Demokratie, die derjenigen, die ich aus Amerika kenne, überlegen ist.“
(Kwasi Wiredu)

„Weisheit findet sich nicht im Kopf einer einzelnen Person.“
(Akan-Sprichwort)

„Wörter ändern auf wunderbare Art und Weise ihre Bedeutung, sobald sie den westlichen Kontext verlassen und in einen afrikanischen eintauchen.“
(Paulin J. Hountondji, Philosoph, Benin)

Quelle: „polylog“, Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 2/1998, herausgegeben von der Wiener Gesellschaft für interkulturelle Philosophie.

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