Völker, Konsumenten, Kunden

Von Redaktion · · 2002/03

Der Dürfer – Erich Hackls Monats-Kolumne

Vergangenen Herbst stürzte das „Fest der Völker“, das an jedem zweiten Septemberwochenende im Wiener Augarten stattfindet, in eine tiefe Sinnkrise. Seine Organisatoren vom „Aktionsradius Augarten“ hatten nämlich entdeckt, dass Leni Riefenstahl in ihrem Propagandafilm über die Nazi-Olympiade 1936 diesen Begriff gewählt hatte, und schritten zu einer Umbenennung der Veranstaltung, in eine „der Bevölkerung“. Nun fehlt dieser, was ein Volk auszeichnet, nämlich die Dynamik, das Bewusstsein eigener Stärke und der Wille, versteinerte Strukturen aufzubrechen. Gerade das stand beim Fest im Augarten bisher im Vordergrund – Kennenlernen fremder Kulturen, Austausch von Erfahrung, Völkerverständigung. Aber das Volk und sein Plural gehören offenbar der extremen Rechten, um die streitet man nicht, die gibt man kampflos preis.
Der Wirtschaftsforscher Ramón Casilda Béjar hat in der spanischen Zeitung „ABC“ festgestellt, dass im Zuge der Globalisierung Staaten mehr denn je wie Markenartikel gehandelt würden und Finanzimperien Rolle und Einfluss der religiösen und politischen Machthaber übernommen hätten. Solcherart werde eine Nation wie eine Firma angesehen. Casilda Béjar schrieb das in Zusammenhang mit dem argentinischen Staatsbankrott. Darüber machte sich, in „El País“, auch der argentinische Unternehmer Martín Varsavsky Gedanken. Für ihn ist die politische Elite seines Landes schuld am wirtschaftlichen Zusammenbruch: Sie habe regiert, ohne an das Volk zu denken, „das man heutzutage treffender als Konsumenten oder Kunden bezeichnet“.

Der „Aktionsradius Augarten“ hatte im letzten Jahr Prominente zu einem Podiumsgespräch geladen, um Alternativen zur Namensgebung zu finden. Angeblich will er nun zur unverfänglichen Bezeichnung Augartenfest zurückkehren. Warum eigentlich? Wer so dumm ist, den alten Nazis und den jetzigen Rechtspopulisten die Völker zu überlassen, dem ist auch zuzutrauen, dass er sich die kapitalistische Deutung zu Eigen macht. Dann könnte er auch gleich der „Internationalen“ einen neuen Text verpassen: „Kunden hört die Signale!“

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