Vom Fair Trade zum Fair Play

Von Redaktion · · 2005/05

Bei der Bekämpfung der Armut spielt Handel eine Schlüsselrolle. Deshalb braucht es die Einhaltung fairer Spielregeln im gesamten Welthandel. Ein Kommentar von Richard Gerster.

Der Faire Handel ist eine Erfolgsgeschichte. Im Vergleich zum Welthandel bleibt er jedoch ein kleiner Fisch. Ein Ausbruch aus der Nische setzt voraus, dass auch die Spielregeln des Welthandels zugunsten der schwächeren MarktteilnehmerInnen verändert werden. Denn Wohlstand hängt auch in Afrika, Asien und Lateinamerika stark vom Welthandel ab. Es ist an der Zeit, sich über mehr Fair Play im Welthandel Gedanken zu machen. Fair Play? Vergleichen wir den Welthandel mit einem Fussballspiel:
Im Fußball bleiben die Regeln während des Spiels gleich. Im Welthandel ändern die USA und Europa die Regeln, wenn es ihren Interessen entspricht. Als asiatische Länder deren Textilindustrie erfolgreich konkurrenzierten, sagten sich die USA und EU vom Freihandel los und beschränkten während Jahrzehnten die Textilimporte, um eigene Betriebe zu schützen.
Die Fußballmeisterschaft ist gegliedert in verschiedene Ligen, je nach Spielstärke. Im Welthandel hingegen steht ein armes Land wie Burkina Faso direkt in Konkurrenz mit den Exporteuren der obersten Liga. Die Waffen sind völlig ungleich.
Zum Fußball gehört es, dass alle Teams über elf SpielerInnen verfügen. Im Handel ist das anders. Wirtschaftlich schwache Ländern können sich am WTO-Sitz in Genf zum Teil überhaupt keine Delegation leisten. Industrieländer hingegen haben grosse Delegationen, im Falle der EU bis zu 500 Beteiligte.

Im Fußball werden die Spielregeln unter gleichberechtigten Verbänden ausgehandelt. Im Handel prägen dominante Länder die WTO-Regeln nach ihren eigenen Bedürfnissen. Der Einschluss von Patenten in der WTO wurde dem Süden vom Norden aufgezwungen.
Im Fussball pfeift ein Schiedsrichter bei Abseits ab. Im Welthandel laufen mehr als zwei Drittel aller Käufe und Verkäufe über Multis. Diese Marktmacht wird durch keine internationale Kartellkontrolle begrenzt. Eine WTO-Verhandlungsrunde zugunsten der ärmeren Länder („Entwicklungsrunde“) tut Not. Anlässlich der in Doha (Katar) 2001 lancierten handelspolitischen Verhandlungen wurde den Entwicklungsländern eine vermehrte Berücksichtigung ihrer Anliegen in Aussicht gestellt. In einer Süd-Perspektive beinhaltet mehr Fair Play im Welthandel drei Kernelemente:

  • Eine Entscheidungskultur, welche eine wirksame Mitsprache der Entwicklungsländer in der WTO erlaubt. Das involviert technische Zusammenarbeit, den Aufbau von Verhandlungskapazität und einen Streitschlichtungsmechanismus, der auch Kleinstaaten wirksame Sanktionen einräumt.


  • Eine Revision der WTO-Verträge, welche den Anliegen der ärmeren Entwicklungsländer Rechnung trägt. Diese haben verschiedene Vorschläge unterbreitet. Sie beinhalten unter anderem eine vermehrte Marktöffnung im Norden, eine Lockerung des Patentschutzes, Migrationsfreiheit für natürliche Personen. Weshalb werden sie nicht als Grundlage dieser „Entwicklungsrunde“ genommen?


  • Ausbau von Flexibilität für die Entwicklungsländer, ihre nationale Politik nach ihren eigenen Bedürfnissen auszugestalten. Die Wege, wie die heutigen Industrieländer wirtschaftlich Erfolg gehabt haben, werden den Entwicklungsländern durch den Souveränitätsverlust im Gefolge der WTO-Abkommen mehr und mehr verbaut.



Was tun? Die Bewegung für Fairen Handel kann sich nicht auf kaufen und verkaufen beschränken. Sie wäre sonst blind für die Handelsdimension und das politische Potenzial ihrer Aktivitäten. Gemeinsam mit anderen NGOs soll sich die Fair Trade-Bewegung gegenüber Behörden, Parlament und Öffentlichkeit für Fair Play im Welthandel stark machen – nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zum Fairen Handel. Es gilt, das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen:

  • Den Markt für fair gehandelte Produkte ausweiten: Erfolgreiche Verkäufe erzeugen auch Druck auf Konkurrenten. Wenn der Anteil fair gehandelter Bananen in der Schweiz 30 – 40 Prozent erreicht, muss sich Dole vermehrt rechtfertigen.


  • Die Produktpalette erweitern. Insbesondere im Dienstleistungsbereich sollten Angebote (zum Beispiel fairer Tourismus) entwickelt und besiegelt werden.



Aktives Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit sind match-entscheidend. Es muss ebenso sachkundig angegangen werden wie der Faire Handel selber. Diese Professionalität kann wohl nur im Rahmen einer engen Zusammenarbeit und klaren Arbeitsteilung innerhalb der NGO-Bewegung sicher gestellt werden.
Auch Staaten wie Österreich oder die Schweiz sind gefordert. Ihre Bemühungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollten in der Handelspolitik eine kohärente und würdige Fortsetzung finden. Dieser Schritt vom Fair Trade zum Fair Play kann für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 entscheidend sein. Es braucht Formen der Globalisierung, welche den schwächeren Handelspartnern faire Chancen einräumen.

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