Vom Urlauben

Von Ahmad Ibesh · · 2021/Jul-Aug
Pool © Unsplash/Etienne Girardet
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Im Deutschkurs habe ich die Begriffe „auf Urlaub fahren“ bzw. „Urlaub nehmen“ gelernt. Was man hierzulande darunter genau versteht, ist mir erst später bewusst geworden.

Urlaub: In meiner Heimat Syrien gibt´s das so nicht. In Gesetzen oder Regelungen steht nichts von Urlaubstagen, die man sich nehmen kann, und schon gar nicht von Urlaubsgeld. Man arbeitet immer, außer, wenn der Chef den Betrieb schließt, etwa rund um die großen religiösen Feiertage. Da hat man dann aber auch religiöse bzw. familiäre Pflichten. Zum entspannten Nichtstun bleibt eigentlich keine Zeit, und Geld zum Fortfahren kommt auch keines rein.

Ist man selbstständig, kann man theoretisch zwar jederzeit seinen Betrieb mal schließen, aber das muss man sich auch leisten können. Mein Vater war Friseur in Aleppo und ein paar Mal hat er es geschafft, mit uns ans vier Stunden entfernte Meer zu fahren, wo wir ein paar Tage den Strand genossen haben. Das war nicht zu den Festen, denn da konnte er wegen der besonders starken Nachfrage nicht weg. In den fünf Jahren, in denen ich in Kärnten lebe, war ich erst einmal so richtig „auf Urlaub“ – zehn Tage in Spanien mit Freunden. Kürzer war ich ein paar Mal in Deutschland und an verschiedenen Orten in Österreich. Das war auch schön, aber nicht so exotisch, weil alle, mehr oder weniger, die gleiche Sprache sprechen. Plus, es ist relativ teuer. In Zukunft möchte ich gerne nach Slowenien, Kroatien oder wieder nach Spanien, ans Meer, wie die meisten anderen auch: „Endlich wieder Urlaub nach Corona“, sagen ja viele. Ich verstehe das und wünsche es mir ebenso.

Wenn ich mich aber bei meinen Eltern in Syrien über unerfüllte Urlaubsträume beklagen würde, hätten sie dafür wohl kaum Verständnis und würden höchstwahrscheinlich mit einem verwunderten „Na und?“ reagieren.

Ahmad Ibesh, 27, kommt aus Aleppo in Syrien. Als er mit 19 in die Armee sollte, floh er in die Türkei und kam 2015 nach Österreich. Seither lebt er als Schneider von seinem Label „Herzgenäht“ in Kärnten (vgl. Rubrik „Lokalaugenschein“ Südwind-Magazin 7-8/2020).

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