Wahrlich kein „elitärer Zeigefinger“

Von Ewin Ebermann · · 2000/03

Ich stimme der Kernaussage voll zu, daß durch einen „elitären Zeigefinger“ wohl niemand positiv beeinflußt werden kann. Das ist nicht unbedingt eine neue Erkenntnis und ein Teil der entwicklungspolitischen Branche hat hier sicherlich Aufholbedarf. Ich würde es mir zehnmal überlegen, bevor ich einen Menschen als Rassisten bezeichne (abgesehen davon, daß ich dann eigentlich von der Theorie ausgehe, daß es Rassen gäbe, gegen die der Andere dann wäre). Dementsprechend ist auch der Ansatz der EU-Beobachtungsstelle für Rassismus hier wissenschaftlich nicht sehr geschickt: Menschen über viele verschiedene Sprachen hinweg zu fragen, ob sie sich selbst als Rassisten sähen, setzt voraus, daß die Interpretation dieses Begriffes in den verschiedenen Ländern vergleichbar wäre. Die feineren Abstufungen des Deutschen mit Fremdenangst, Fremdenhaß und Rassismus werden in der Praxis in verschiedenen anderen Sprachregionen mit nur einem Ausdruck beantwortet, nämlich Rassismus. Darüber hinaus spielen auch unterschiedliche Offenheit bezüglich der Selbsteinschätzung eine Rolle sowie Bedeutungswandel (im Laufe von 8 Jahren wie bei der damit verglichenen Studie). Ich habe v.a. in den frankophonen Ländern Afrikas sehr viel häufiger als in allen anderen Ländern, in denen ich lebte, die Selbstbezeichnung „Intellektuelle“ gehört. Kann man daraus schließen, daß es im frankophonen Afrika mehr Intellektuelle als anderswo gibt? Wohl nein. Alles im allen ist die Abfrage nach der Eigeneinstufung wohl das untauglichste Mittel des internationalen Vergleichs von fremdenfeindlichen Einstellungen. Vielleicht würden sich momentan mehr Republikaner als Österreicher als mitfühlende (Konservative im Sinne und durch den Einfluß George Bushs) bezeichnen und vergessen dabei, wie unbarmherzig der Präsidentschaftskandidat auch mit Todesstrafen gegenüber Minderjährigen vorgeht? Was bewiese das? Es gibt wesentlich bessere Beweise für die zunehmende Abgrenzung gegenüber Zuwanderern (Verhalten, Frequenzen etc.).
Allgemein müßten viele Menschen des Integrations- und EP-Bereichs, die durch ihre besondere Kenntnis der Werte der Zuwanderer sehr gute Vermittler zu zurückhaltenden Teilen der Bevölkerung sein könnten, vom hohen Ross heruntersteigen. Nur durch persönliche Glaubwürdigkeit, d.h. Anlegen absolut ähnlicher Maßstäbe für Eigen- und Fremdverhalten, wird man Einstellungen positiv beeinflussen können. Demokratiepolitisch ist dieser Bereich aber nicht immer, so gerne er sich als Vorreiter sieht, vorbildhaft. Ausgeprägtes Multifunktionärswesen (v.a. im kirchlichen Bereich), klare Interessenskonflikte, oft große und nachtragende Probleme von einflußreichen Persönlichkeiten, mit anderen Meinungen umzugehen und mitunter doppelte Standards vermindern die notwendige Glaubwürdigkeit. Ich erinnere mich an einen Kollegen in der Branche, der in einer Evaluierung gewissen Zuwanderern eine Neigung zum Clientelismus unterstellte und bei erstbester Gelegenheit seine Frau zu sich ins Büro holte. Sind überall in der Branche Zuwanderer in einem Maße in Instituten und Gremien vertreten (und auch in höheren Funktionen), das man als vorbildhaft bezeichnen könnte? Werden gleiche Maßstäbe für Eigen- und Fremdverhalten angewandt? Ich erinnere mich daran, wie ich dem ehemaligen Leiter eines Forums tief enttäuscht vor 8 Jahren einen Profil-Artikel über Haider zeigte (der sog. Candussi-Skandal). Auf der Titelseite stand ganz groß von Schweigegeld für Candussi (ehem. Vize der FPÖ-Kärnten) geschrieben. Im Magazin-Inneren stellte es sich heraus, daß der ausgebootete Politiker wie tausende andere Politiker einen Versorgungsposten erhielt. Ich meinte zu meinem Gesprächspartner wütend, daß man so der Rechten mit diesen doppelten Standards wieder ein Zeichen für die eigene Unglaubwürdigkeit geliefert hätte, den Gegnern des Rechtspopulismus, zu denen ich mich auch zähle, aber keinerlei Argument geliefert hätte. Er meinte, daß die Zeitung richtig gehandelt hätte, man müsse Stellung beziehen. Aber ist diese Stellung nicht so himmelweit von einer Vermittlerrolle entfernt, daß man als Ansprechpartner nicht mehr in Frage kommt? Ich hatte in entwicklungspolitischen Gremien oft das Gefühl, daß das Ausleben der eigenen Frustration oft wichtiger war als der konkrete Erfolg der Meinungsveränderung. Nur durch bedingungsloses Ernstnehmen der Position des Anderen (ohne sie zu übernehmen) kann ich aber auf ihn wirken, nicht durch Eigendefinition der Kenntnis der Wahrheit, also auch nicht mit Schlagwörtern wie „Weltsicht entwickeln“, denn auch diese setzen voraus, daß der „Lehrer“ sie aufweist. Mit würden viele weitere Argumente einfallen, ich unterlasse sie aber aus Platzmangel.

Dr.Ewin Ebermann, Univ.Lektor (Afrikanistik)

erwin.ebermann@univie.ac.at

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