Weder Gott noch Teufel

Von Erhard Stackl · · 2013/04

Der Tod des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez brachte wieder einmal die Ignoranz der Boulevardmedien zu Vorschein.

Hugo Chávez wurde als Operettendiktator dargestellt, der alles verstaatlichte, die Gewinne zur Wahlwerbung verteilte und ein vorher blühendes Land ruinierte.

Am globalen Süden Interessierte, die gegen Armut und Ungleichheit auf der Welt eintreten, wissen natürlich, dass das so argumentiert ein Blödsinn ist. Venezuelas Ölgesellschaft, die größte Lateinamerikas, war auch schon vor Chávez Amtsantritt 1999 verstaatlicht. Die Manager dieser PdVSA verhielten sich aber so, als wären sie ein Staat im Staate, dem sie kaum Steuern zahlten. Gleichzeitig lebte die Hälfte der Bevölkerung in Armut. In Caracas konnten die auf Hügeln um die Stadt hausenden Armen den Reichen im Tal bei deren Exzessen an Korruption und Luxus zusehen.

Der Zorn dieser Armen und ihre Hoffnungen brachten Chávez an die Macht und führten zu seiner mehrfachen Bestätigung an den Urnen. Seine folkloristische Volksnähe mag Außenstehenden als vulgär erschienen sein – viele VenezolanerInnen liebten ihn dafür.

Chávez brachte in zähem Ringen die Ölgesellschaft PdVSA unter Kontrolle, verpflichtete sie zu hohen Abgaben und finanzierte damit Sozialausgaben. Laut UNO-Bericht reduzierte Venezuela die Armut bis 2010 auf 27,8 Prozent; das war nach Ecuador der höchste Rückgang in Lateinamerika.

In etlichen Ministerien saßen allerdings Militärs, die ihre Uniform gegen das rote Hemd der Chavistas getauscht hatten. Unter ihnen, denen Chávez voll vertraute, gab es eine Rückkehr zur Korruption, das erhoffte Wirtschaftswachstum blieb aus.

Auch die von Basisgruppen getragene wirtschaftliche Selbstorganisation, die viele junge Menschen in Europa fasziniert hatte, blieb stecken. Chávez hatte allerdings starken Gegenwind von den alten Eliten, die ihn boykottierten, Putschversuche unternahmen und in den USA Unterstützung suchten.

Daher kommt der Hass gegen die USA, der nach dem Prinzip „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zu seltsamen Allianzen führte. Chávez’ Freundschaft zum weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko und zu Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinejad, der daheim alle AbweichlerInnen vom islamischen Fundamentalismus verfolgt und eine Hasspolitik gegen Israel betreibt, schreckte auch SympathisantInnen ab.

Sogar Noam Chomsky, Ikone der internationalen Linken und Vorbild von Chávez, ging auf Distanz. 2006 hatte Chávez in der UNO-Vollversammlung (in der er George W. Bush mit dem Teufel verglich) Chomskys Buch „Hybris“ (über die „globale Vormachtstellung der USA“) hoch gehalten. 2011 stellte Chomsky in Venezuela eine „ungesunde Entwicklung“ wegen der Machtkonzentration Chávez’ fest.

Vieles von dem, was Chávez angegangen ist – wie die verstärkte Nutzung der Einnahmen aus Bodenschätzen für Sozialprogramme – wird in Lateinamerika, das auch durch ihn selbstbewusster und unabhängiger geworden ist, bleiben. Dass die ganze Entwicklung eines Landes vor allem von einer Person abhängt, war schon zu Chávez‘ Lebzeiten bei seinem Projekt die große Schwäche.

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