Welche Zukunft wollen wir?

Von Barbara Unmüßig · · 2014/09

Zwei Jahre nach dem „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro im Juni 2012 ist vom einstigen Hoffnungsträger „Grüne Ökonomie“ nicht mehr viel zu merken. Die Trends der Ressourcenverschwendung und des Klimawandels setzen sich ungehemmt fort.

Erinnern wir uns: Im Vorfeld des Weltgipfels Rio+20 lancierten eine Reihe internationaler AkteurInnen das Konzept der Grünen Ökonomie als Alternative zum fossilen und ressourcenintensiven Wirtschaftsmodell so gut wie aller Staaten. Die Hoffnung war, dass die Grüne Ökonomie als Leitkonzept in der Rio+20-Abschlusserklärung „The Future We Want“ verankert wird. Das ist damals gescheitert. Eine Road Map für eine Grüne Ökonomie, wie das in Rio die Europäische Union noch wollte, gibt es nicht. Die Abkehr vom Business as Usual findet nicht statt – so nötig sie angesichts des Klimawandels, der Ernährungs- und Armutskrisen auch wäre und wie sie die ProtagonistInnen der Grünen Ökonomie zu Recht fordern. Grüne Ökonomie findet allenfalls in der Nische statt. In dieser Nische bilden sich zahlreiche neue Allianzen, Aktionspläne und neue institutionelle Arrangements.

Den politischen und vor allem multilateralen Willen zu universalen, prioritären und strukturellen Zielen zur Armutsbekämpfung, zum Stopp des Klimawandels und der wachsenden Ressourcenausbeutung gibt es nicht. Der UN-Vorbereitungsprozess für die Post-2015-Agenda – für Millennium- und Sustainable Development Goals (SDGs)*) – zeigt das deutlich.

Die Nachfrage nach fossilen, mineralischen und biotischen Rohstoffen wächst global in einer nie gekannten Dimension. Das hat mehrere Gründe. Die Industrieländer, die seit Jahrhunderten ein Privileg auf die Ausbeutung von Rohstoffen genießen, rücken vom fossilen und ressourcenintensiven Produzieren und Konsumieren nicht ab. Mit der ökonomischen Globalisierung sind neue „Wettbewerber“, ProduzentInnen und KonsumentInnen hinzugekommen. Auch deren  Entwicklungsmodell basiert weitgehend auf einer fossilen Energiewirtschaft und einem ressourcenintensiven Produktions- und Konsummodell, das jenes des Nordens nachahmt.

Mit der Steigerung der globalen Warenproduktion und des Welthandels stieg auch die weltweite Versorgung mit Primärenergie. Und dort dominieren die fossilen Energieträger, die weiter das globale Treibhaus anheizen.

Im weltweiten Energiemix liegt Erdöl mit 33 Prozent vorne, gefolgt von Kohle mit 30, Erdgas mit 24, Uran mit 4, Wasserkraft mit 7 und Erneuerbare Energien mit 2 Prozent. Der Ausstoß von Klimagasen erreicht neue Höhepunkte, während Milliarden Menschen überhaupt noch keinen Zugang zu modernen Energiedienstleistungen haben. Eine um 3 bis 5 Grad Celsius wärmere Welt ist kein Hirngespinst. Sustain-able Development Goals müssten als allererstes den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft forcieren und die Energiearmut von Millionen von Menschen in den Fokus nehmen.

Zur massiven Nachfrage nach fossilen und energetischen Rohstoffen gesellt sich die globale Nachfrage nach strategischen Rohstoffen für neue Technologien – für die Kommunikation, für den Sektor erneuerbare Energie und den Verkehrsbereich.

In den Bildschirmen eines Laptops sorgen beispielsweise die Stoffe mit den schönen Namen Cer, Lanthan, Europium, Terbium, Yttrium und Gadolinium für kräftige Farben. Für Laptops oder Handys sind die kleinen und leistungsstarken Lithium-Ionen Batterien ebenso wichtig wie Neodym für Windkraftanlagen und Elektroautos.

Weltweit ist der Verbrauch von so genannten nicht-energetischen Rohstoffen wie Lithium, Coltan, Tantal oder Seltenen Erden in den letzten 30 Jahren um weit über 50 % gestiegen.

Anhand dieser wenigen Beispiele zeigt sich, dass das, was unter Grüner Ökonomie firmiert, ebenfalls auf den Prüfstand gehört. Jede Transformationsstrategie, alle grünen Ökonomiekonzepte und jede technologische Innovation muss potenzielle negative soziale und ökologische Auswirkungen erkunden, sie transparent machen und demokratisch legitimieren.

Begriffe

2015 ist das Zieldatum zum Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele. Da die Ziele nur teilweise erreicht werden, rief die UN-Vollversammlung schon 2010 die Staaten auf, die Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen über 2015 hinaus zu überdenken und zu fördern.

Bei der Rio+20-Konferenz 2012 wurde ein zwischenstaatlicher Prozess zur Umsetzung von Sustainable Development Goals (SDG, nachhaltige Entwicklungsziele) beschlossen. Eine 30-köpfige Arbeitsgruppe der UN-Generalversammlung soll dazu einen Vorschlag ausarbeiten. Beim UN-Gipfel im nächsten Jahr sollen dann die SDGs mit einer Laufdauer bis 2030 abgesegnet werden.

Alle ausgearbeiteten Konzepte der Grünen Ökonomie – von UNEP, Weltbank, OECD bis zu nationalen Aktionsplänen – beruhen auf der Annahme, dass es keine grundsätzliche Abkehr vom Wachstumsmodell geben muss. Grünes Wachstum soll das fossil und nuklear basierte Wachstum ablösen. Die Grüne Ökonomie bildet damit einen klaren Gegenpol zu wachstumskritischen Analysen. Die Idee und Notwendigkeit des Schrumpfens hat darin keinen Platz. Weiters vereint die Ansätze der Grünen Ökonomie ein großes Vertrauen auf technologische Lösungen. Soziale und ökologische Verteilungsfragen und menschenrechtszentrierte Politikansätze finden viel zu wenig Eingang in die Konzepte der Grünen Ökonomie.

Statt alles auf Strategien zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu setzen und den Ressourcenverbrauch (Rohstoffe, Biodiversität und Land) zu reduzieren, fließt derzeit viel Energie und etwas Geld in den Aufbau dessen, was sich großspurig Grüne (Wachstums-)Ökonomie-Architektur nennt. Dabei ist eine weitere institutionelle Fragmentierung der Grünen Ökonomie-Landschaft zu beobachten. Zuvorderst ist die UN-Partnership for Action on A Green Economy (PAGE) zu nennen. Hier machen die UNIDO, UNEP, die ILO und UNITAR mit. Dann gibt es die Green Economy Coalition (GEC), die sich als Netzwerk aus UN-Organisationen, großen NGOs, Unternehmen und Gewerkschaften begreift und den Diskurs und Dialog zur Grünen und inklusiven Ökonomie fördern möchte.

Darüber hinaus gibt es eine beinahe unübersichtliche Zahl von Lernplattformen, Foren und Allianzen, die unter dem Stichwort der Grünen Ökonomie oder des Grünen Wachstums segeln. Jedes dieser neuen institutionellen Arrangements definiert Grüne Ökonomie und die jeweiligen Aufgaben etwas anders. Diese Vielfalt ließe sich positiv als Suchprozess interpretieren, der immer sinnvoll ist, wenn Neues entstehen soll. Weniger optimistisch betrachtet wird hier viel Geld eingesetzt, ohne dass sich der globale Trend der Ressourcenverschwendung oder des Klimawandels auch nur ansatzweise umkehrt.

Die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken vergeben bereits Kredite für „inklusive Grüne nationale Wachstumsentwicklungspläne“ – so in Marokko, in Subsahara-Afrika, in Indien oder China. Die Herausforderung ist erstens, auch hier zu prüfen, wem diese neuen Kredite wirklich zugutekommen und wofür. Zentral wäre jedoch, die Kreditvergabe öffentlicher Geber voll und ganz auf eine sozial gerechte, ressourcenarme und nicht fossile Entwicklung umzustellen und die politischen Rahmenbedingungen für den Privatsektor in diesem Sinne zu stellen.

Das könnte den globalen Trend zum Abbau und zur Zerstörung von immer mehr fossilen, mineralischen und biotischen Ressourcen umkehren. Die politische Energie der Regierungen, der Parlamente, der Zivilgesellschaft müsste den Primat der Politik zurückholen gegen die mächtigen fossilen oder agrarischen Lobbies, die den Weg in eine wirklich Grüne Wirtschaft und eine gerechtere Gesellschaft mit ihrer Wirtschaftsmacht verhindern. Der Vorbereitungsprozess auf die Post-2015-Agenda, der zum Beispiel für die SDGs 150 Ziele aufweist, keines davon strukturell für die soziale und ökologische Transformation wichtig, zeigt hier leider in keine sehr Hoffnung machende  Richtung.

*) Siehe Infobox „Begriffe“.

Barbara Unmüßig studierte Politologie an der FU Berlin, war journalistisch und als Mitarbeiterin von grünen Abgeordneten sowie als Vorstandsvorsitzende von WEED (World Economy, Ecology & Development) tätig. Seit 2002 ist sie Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.

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