Welt-Literatur

Von Werner Hörtner · · 2009/03

Ein „anderer“ Literaturklub will im deutschen Sprachraum die Literaturen der Welt außerhalb Europas fördern, und eine Jury von Fachleuten unter Vorsitz von Ilija Trojanow erstellt ab nun den „Weltempfänger“, eine Bestenliste von Neuerscheinungen aus Asien, Afrika und Lateinamerika.

Fans von außereuropäischen Literaturen kennen sie alle, oder zumindest die meisten: die „LiteraturNachrichten“, eine vierteljährlich in Deutschland erscheinende Zeitschrift, die kontinuierlich über die literarisch-kulturellen Entwicklungen in jenen Regionen berichtet, die man früher als die „Dritte Welt“ bezeichnete. In literarischer Hinsicht war dieser Begriff ohnehin schon immer obsolet, denn talentierte AutorInnen waren nie ein Privileg unserer „Ersten Welt“. Aber es mangelte lange Zeit an (guten) Übersetzungen, an entsprechend engagierten Verlagen – und am Wissen über die Qualität der Literaturen außerhalb Europas.
Der Aufbruch der 1968er Jahre und die darum herum entstehende „Dritte Welt“-Szene erweiterte auch geographisch den Horizont vieler Menschen und weckte Neugier auf die Kulturen jenseits unseres Tellerrandes. Auf Initiative der Frankfurter Buchmesse wurde eine „Buchagentur 3. Welt“ gegründet, 1976 war erstmals Lateinamerika der Schwerpunkt dieser renommiertesten Bücherschau der Welt, 1980 folgte Afrika. Im selben Jahr mutierte die Buchagentur zur „Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika“, die die eingangs erwähnte Zeitschrift herausgibt. Im Frühjahr erscheint die Nummer 100 der „LiteraturNachrichten“, das heißt ein Vierteljahrhundert Information über Autorinnen und Autoren aus dem Süden in Interviews und Porträts, Berichte über Neuerscheinungen, Literaturpreise, Rezensionen, Vorabdrucke usw.

Eine andere Initiative der „Gesellschaft“ war, ebenfalls Mitte der 1980er Jahre, die Gründung des „Anderen Literaturklubs“. Eine Mitgliedschaft bedeutet den Bezug von jährlich vier neu übersetzten Büchern. Ein Überblick über die bisher erschienenen Bände liest sich wie ein „Who is Who“ der Welt-Literatur. Gleich als erster Titel erschien Anfang 1985 die „Midaq-Gasse“ von Nagib Machfus, der drei Jahre später den Nobelpreis erhielt.
Doch nicht nur Berühmtheiten werden in dem Buchklub der anderen Art vorgestellt, sondern auch großteils unbekannte Schriftstellerinnen und Autoren. Im Jahr 2009 sind die aus Mauritius stammende, in Paris lebende Nathacha Appanah im Programm, der Iraker Sinan Antoon, der seit 1991 in den USA lebt, sowie die in Köln beheimatete Peruanerin Teresa Ruiz Rosas, von der bereits zwei Titel auf Deutsch erschienen sind. Der vierte im Bunde ist Mohammed Hanif aus Pakistan, ehemals Pilot der pakistanischen Luftwaffe, dann Journalist, der in seinem Erstlingsroman „Eine Kiste explodierender Mangos“ brillant eine Satire über Männer, Macht und Militär erzählt.
Der Andere Literaturklub existiert in Deutschland und der Schweiz; in Österreich war es jedoch trotz entsprechender Versuche nicht möglich, eine Zweigstelle aufzubauen. Mitgliedschaften – 65 Euro im Jahr – sind jedoch ohne weiteres auch über Deutschland möglich (siehe Angaben am Textende); jedes Mitglied erhält neben den vier Büchern auch die LiteraturNachrichten sowie Einladungen zu Lesungen und Tagungen. Außerdem ist sie oder er auch Gastmitglied bei der Büchergilde (ohne Kaufverpflichtung).

Das wirkungsvollste Mittel zur Förderung der Literaturen aus Afrika, Asien und Lateinamerika ist die Übersetzungsförderung. Aus Mitteln des deutschen Außenministeriums und der Schweizer Stiftung Pro Helvetia – auch hier steht Österreich wieder im Abseits – wurden in 25 Jahren an die 600 Übersetzungen belletristischer Werke mitfinanziert. Auch Nagib Machfus wurde so für den deutschen Markt entdeckt. Für Peter Ripken, bis 1987 20 Jahre lang Geschäftsführer der „Gesellschaft“ und Chefredakteur der LiteraturNachrichten, ist das Konzept „Dritte Welt“ in der Literatur definitiv vorbei. Heute erleben wir sogar, so Ripken, „dass Länder wie z.B. Indien, Argentinien, Mexiko, Brasilien, Indonesien und Chile ziemlich viele Ideen entwickeln, wie man auf globalen Märkten ankommen kann“.
Die neueste Initiative der „Gesellschaft“ ist der „Weltempfänger“. Eine Jury von acht LiteraturkennerInnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich (Karl-Markus Gauß und Kristina Pfoser) unter Vorsitz von Ilija Trojanow – siehe Titelgeschichte im letzten Südwind-Magazin – wählt vierteljährlich eine Bestenliste von sieben Titeln aus. Die eben publizierte erste Weltempfänger-Liste führt der Inder Aravind Adiga mit seinem Roman „Der weiße Tiger“ an, erschienen im Verlag Beck. Der Vollständigkeit halber sei auch noch der Buchkatalog „Quellen“ erwähnt, ein einzigartiges Nachschlagewerk über alle ins Deutsche übersetzten AutorInnen aus dem Süden (nunmehr ausschließlich online).

Mehr über alle diese Initiativen und Aktivitäten auf www.litprom.de
Kontakt zum „Anderen Literaturklub“ Petra Kassler, Tel. 004969/2102-143,
E-Mail: kassler@book-fair.com

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