Weltklasse-Potenzial

Von Redaktion · · 2016/06

Afrika ist reich an natürlichen Energieressourcen. Warum seine Menschen unter Energiearmut leiden, erklärt Ruth Nyambura.

Moderne, umweltverträgliche und nachhaltige Energiesysteme aufzubauen, gegründet auf Fairness und Gerechtigkeit, ist für Afrika eine der dringendsten Herausforderungen. Mit Ausnahme Südafrikas verzeichnen die Länder in Subsahara-Afrika die niedrigsten Elektrifizierungsraten der Welt; 620 Millionen Menschen verfügen über keinerlei Zugang zu elektrischem Strom.1 Dazu gehören 85 Prozent der ländlichen Bevölkerung. Auf keinem anderen Kontinent ist die Energiearmut so groß.

Auch von den Folgen der Erderwärmung ist Subsahara-Afrika am stärksten betroffen, was zu einer dreifachen Krise führt – einer Ernährungs-, Energie- und Klimakrise. Afrika kämpft darum, sich an den Klimawandel anzupassen und die erforderlichen Milderungsmaßnahmen zu setzen.

Großprojekte sind keine Lösung. Seit der Unabhängigkeit setzten die meisten afrikanischen Regierungen in der Energieversorgung auf dasselbe Konzept: Große Wasser- oder Verbrennungskraftwerke, die über ein Hochspannungsnetz städtische und industrielle Zentren mit Strom versorgen. Das Ergebnis, so der nigerianische Umweltaktivist Nnimmo Bassey, ist ein von Ungleichheit geprägtes Energiesystem: „In Südafrika beispielsweise wird der Strom zu fast 90 Prozent aus Kohle erzeugt, und die stammt aus Bergwerken in den Siedlungsgebieten armer schwarzer Südafrikaner, die sich den Strom nicht leisten können, aber unter den immensen Auswirkungen des Kohleabbaus auf ihre Gesundheit und die Umwelt leiden.“

Eine flächendeckende Stromversorgung auf dem Kontinent konnte derart nicht geschaffen werden, und Strom wurde dadurch auch nicht billiger. Stattdessen haben diese Projekte Vetternwirtschaft und die Privatisierung des Energiesektors begünstigt und außerdem die Schuldenlast der afrikanischen Länder erhöht.

Großes Potenzial. „Afrika hat ein Weltklasse-Potenzial für Sonnenenergie, enorme saubere, geothermische Energieressourcen, starke Winde und ein großes Potenzial für Mikro-Wasserkraft und Laufkraftwerke ohne Staudämme“, konstatiert etwa die Umweltorganisation International Rivers.2 In Afrika käme es weit billiger, in Sonnenenergie zu investieren als in eine Erweiterung des Stromnetzes, wie das Joint Research Centre der Europäischen Kommission in einem Bericht von 2012 festhielt.3 Und auch in punkto Arbeitsplätze bieten erneuerbaren Energien weit bessere Chancen auf dauerhafte Beschäftigung als große Infrastrukturprojekte.

Afrikanische Länder haben bereits mit der Umstellung auf erneuerbare Energien begonnen, sowohl auf Planungsebene als auch in der Umsetzung. Marokko ist eben dabei, das größte solarthermische Kraftwerk der Welt zu errichten, das im Vollbetrieb ab 2018 eine Million Haushalte mit Strom versorgen soll. Kenia ist afrikaweit führend in der Geothermie und beabsichtigt, den Großteil seines Strombedarfs mit dieser Energiequelle zu decken. Das geothermische Kraftwerk Olkaria im Großen Afrikanischen Grabenbruch in Kenia ist das größte Geothermie-Projekt des Kontinents.

Interessanterweise wurden beide Megaprojekte großteils durch Darlehen multilateraler Finanzinstitutionen wie der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank finanziert. Im Fall Kenias wurde die Errichtung und der Betrieb des Kraftwerks (auf eigene Rechnung) in den 1990er Jahren ausgeschrieben; den Zuschlag erhielt eine US-Tochter des israelischen Unternehmens Ormat Technologies, die für den Betrieb eine kenianische Gesellschaft namens OrPower gründete.3

Fast alle Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien beruhen auf demselben Konzept wie konventionelle Kraftwerksprojekte: Sie sind groß dimensioniert, befinden sich in konzentriertem Eigentum und sind an das nationale Stromnetz angeschlossen. Seit den aufgezwungenen strukturellen Anpassungsprogrammen der 1980er Jahre war es eine Art ungeschriebenes Gesetz, die Entwicklung der erneuerbaren Energien dem in- und ausländischen Privatsektor zu überlassen und sich überwiegend auf internationale Finanzierungen im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften zu stützen. Dass Entwicklungsprojekte leicht von mächtigen Interessen in Beschlag genommen werden können, ist nur allzu gut bekannt.

Bei der COP 21, der Klimakonferenz in Paris im vergangenen Dezember, rief die Gruppe der afrikanischen Staaten die Africa Renewable Energy Initiative (AREI) ins Leben, was allgemein begrüßt wurde. Ihr Ziel ist „der Aufbau einer globalen Partnerschaft zur Beschleunigung der Energietransformation“. Auch hier bestehen Risiken, so Dipti Bhatnagar von Friends of the Earth Mosambik: „Es muss unbedingt verhindert werden, dass dieser Vorschlag von den afrikanischen Regierungen wieder für Megaprojekte genutzt wird, die Unternehmen Gewinne auf Kosten der Energiebedürfnisse und der Menschenrechte der Afrikaner und der ökologischen Gerechtigkeit ermöglichen.“

Die wichtigste Frage ist aber, vor allem auf einem Kontinent mit großen Einkommensunterschieden: Wie kann man dafür sorgen, dass erneuerbare Energien erschwinglich sind? Außerdem muss gewährleistet sein, dass sich die Energieprojekte unter lokaler Kontrolle befinden, vorzugsweise in Form von Insellösungen und kleinen lokalen Netzen („Mini-Grids“).

Damit Energiedemokratie in Afrika Realität wird, braucht es dringend zweierlei: eine drastische Erhöhung gezielter Subventionen für erneuerbare Energien und eine Verringerung der Importzölle und Produktionskosten. Afrika muss insbesondere auf den Transfer angepasster Technologie, Forschung und Entwicklung sowie Schulungen und Kapazitätsentwicklung fokussieren und in diese Bereiche investieren. Und der Kontinent muss auch die Regeln zum geistigen Eigentum in Frage stellen, die weiterhin eine Entwicklung im Interesse der Armen behindern.

Copyright New Internationalist

Ruth Nyambura ist eine politische Ökologin und Ökofeministin aus Kenia mit Schwerpunkt auf den Schnittstellen von Gender, Wirtschaft und Umweltgerechtigkeit im Globalen Süden.

1)    IEA, Africa Energy Outlook 2014, www.worldenergyoutlook.org/resources/energydevelopment/africafocus

2)    www.internationalrivers.org/energy-solutions-for-africa

3)    Joint Research Centre, Renewable energies in Africa, allafrica.com/download/resource/main/main/idatcs/00030790:5804f7cef7580cd4b4797fe1b2d78ebd.pdf

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