Wenn ich nicht sehe, was auch du nicht siehst

Von Martin Wassermair · · 2024/Jan-Feb
Kurzkommentar

Ein Kommentar zur medialen Ausblendung des Globalen Südens.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war aus Kolonialzeitschriften zu erfahren, dass der Kilimandscharo der höchste aller deutschen Berge sei. Die Bildproduktion von Ausbeutung und Unterwerfung bemühte sich in den kaiserlichen Imperien ganz offenkundig um ein pittoresk gemaltes Heimatverständnis, das sich bis in das ferne Afrika erstrecken sollte. In der postkolonialen Gegenwart sind Identitätskonstruktionen und die Darstellung des Fremden noch immer von großer Bedeutung, sie speisen sich allerdings aus einem visuellen Repertoire, das insbesondere durch Social Media und interaktive Nutzungsmöglichkeiten eine noch nie dagewesene Wirkmacht entfaltet.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich das Wissen um den Globalen Süden auffallend gering aus und landet oftmals in der Nische.

Rechtspopulistische Parteien nutzen digitale Plattformen und ihre Reichweiten als Matrix, um gegen Migration und Asyl ablehnende Stimmung zu erzeugen. Umso deutlicher ist festzuhalten, dass sich die Schieflagen der Welt nicht nur in Verteilungsungerechtigkeiten (vgl. Südwind-Magazin 11-12/2023, Dossier zu Ungleichheit global) zu erkennen geben, sondern auch in der Frage, welche Informationen für den so oft geforderten Blick über den Tellerrand eigentlich zur Verfügung stehen.

© Zoe Goldstein

Martin Wassermair ist Historiker, Politikwissenschafter, Publizist, seit 2016 Leiter der Politikredaktion des nichtkommerziellen Community-Senders DORFTV und seit 2023 Mitglied im Vorstand von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Kein Platz in der ZIB 1. Aktuelle Studienergebnisse des deutschen Forschers Ladislaus Ludescher zeigen auf, dass der öffentlich-rechtliche ORF im Jahr 2022 den 85 Prozent der Weltbevölkerung in der südlichen Hemisphäre gerade einmal neun Prozent der Berichterstattung in der ZIB 1, der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes, gewidmet hat.

Man könnte dieses Missverhältnis beiseite wischen und argumentieren, dass mit Ukraine-Krieg, Nahost, Pandemie-Folgen und gesellschaftlichen Verwerfungen ohnehin genug Probleme unserer Zeit über den Bildschirm in das Wohnzimmer flimmern. Wer braucht da noch humanitäre Katastrophen, dramatische Klimaauswirkungen wie Hochwasser und Dürren oder gar Elendsberichte von Kindern, die in regionalen Konflikten von Warlords zum Töten gezwungen werden?

Frage der Bilder. Mit der Produktion von Bildern entsteht Bedeutung. Wenn ich nicht sehe, was auch du nicht siehst, geraten Realitäten irgendwann gänzlich aus dem Blick. Die Verantwortung, für multiperspektivische Betrachtungen zu sorgen, diese redaktionell einzuordnen und an ein Publikum zu vermitteln, trägt hierzulande der öffentlich-rechtliche ORF – wenn auch nicht allein.

Daneben geht es heutzutage um ganz andere Informations- und Nachrichtenangebote: Instagram, TikTok, Telegram und andere Netzwerke erweisen sich zunehmend als niederschwellige Hightech-Maschinen, die unsere Informationslandschaften mit einem babylonischen Gewirr aus überreizten Videos, wütenden Kommentaren und hasserfüllten Sentiments geradezu überfluten.

Und da sind wiederum die Medienkonsument:innen gefragt: Denn in diesem Zusammenhang ist mehr zivilgesellschaftliches Engagement gefordert. Wer Smartphones und andere mobile Endgeräte nutzt, kann auch Narrative in die Welt übertragen, die ansonsten ausgeblendet bleiben. Freie Meinungsäußerung ist eben ein universelles Grundrecht, es ist unteilbar und eine zentrale Voraussetzung für demokratische und pluralistische Veränderung.

Machen wir uns alle ein Bild – und rücken wir den Globalen Süden ins Blickfeld! Die medialen Werkzeuge dafür stehen zur Verfügung.

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