Widersprüche allenthalben

Von Brigitte Pilz · · 2001/05

Man möchte den Bekenntnissen gerne Glauben schenken. Endlich ist Bewegung in das Engagement für die Ärmsten dieser Welt gekommen! Möchte man meinen. Kritische Analysen decken eine andere Realität auf. Wie ernst ist es der internationalen Gemeinschaft mit ihren Versprechen?

Bekenntnisse zum Engagement für die Ärmsten dieser Welt sind en vogue. Sie stehen in den Programmen internationaler Organisationen inzwischen an oberster Stelle. Die Staatengemeinschaft der Industrieländer hat sich auf mehreren Foren zur Beseitigung der absoluten Armut bekannt: Reduzierung der Zahl der Ärmsten um die Hälfte bis zum Jahr 2015. Vom 14. bis 20. Mai dieses Jahres Wndet in Brüssel die dritte UNO-Konferenz für die ärmsten Länder (Least Developed Countries, LDC) statt.

Sind solche Beschlüsse mehr als Lippenbekenntnisse? Diese Frage drängt sich auf angesichts der Schlüsse, die der Experte für die EU-Entwicklungspolitik in der Titelgeschichte der vorliegenden Ausgabe des SÜDWIND-Magazins zieht: Die Entwicklungspolitik der Union ist zur Außenhandelspolitik verkommen, gefolgt von Katastrophenhilfe und Flurbereinigung von Globalisierungsschäden. Er sieht in den Nachfolge-Abkommen von Lomé eine Unterordnung der Entwicklungspolitik und der ärmsten Länder unter WTO-Erfordernisse – sprich Freihandel – mit maßgeblichen Vorteilen für EU-Exporte.

Gleichzeitig wird die aktuelle Initiative der Europäischen Union ”Everything but Arms“ als ”Weltpremiere“ gepriesen. Sie soll den LDCs eine unbeschränkte Einfuhr aller Waren (Zucker, Reis und Bananen mit zeitlicher Verschiebung) ohne Importzölle in die EU ermöglichen. Im SÜDWIND 4/2001 (Seite 22) konnten Sie lesen, dass damit der Widerstand der Entwicklungsländer gegen eine neue Liberalisierungsrunde im Welthandel überwunden werden soll. Studien weisen darauf hin, dass LDCs größere Unterstützung bräuchten, um ihre Angebote diversifizieren und tatsächlich vom internationalen Markt profitieren zu können. Leider ist aber die Hilfe der EU-Mitgliedsländer für LDCs seit 1988 von 0,14 Prozent auf schwache 0,06 Prozent des BIP zurückgegangen.

Widersprüche allenthalben. Bleibt die Frage: Wie ernst meint es die internationale ”Gemeinschaft“ mit dem Bekenntnis zum Abbau der absoluten Armut?

Ein anderer Widerspruch: Heuer wird das Internationale Jahr der Ehrenamtlichkeit begangen. Es ist offensichtlich durchaus in das Bewusstsein politisch Verantwortlicher vorgedrungen, dass ehrenamtliche Tätigkeit – ein Markenzeichen von NGOs – Grundlage des Gemeinwohls (sei es bei uns oder in der Dritten Welt) ist. Gleichzeitig (auch dies lesen Sie in der CoverGeschichte) dreht die EU-Bürokratie den Geldhahn für NGOs zu bzw. verunmöglicht das Erlangen einer Förderung durch bürokratische Hürden.

”Jammern bringt nichts“, ist eine altbekannte Weisheit, der sich viele NGOs häufig leider nicht bedienen. Das Beklagen beklagenswerter Zustände ist ein beliebter Zeitvertreib. Schön, wenn sich NGOs davon abheben. Kürzlich hat die Initiative ”Erlassjahr 2000“ die Studie ”Zukunft ohne Schulden“ (ÖFSE Edition) vorgestellt, in der Alternativen zur bisherigen Gläubigerpolitik Österreichs gegenüber den hochverschuldeten Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas aufgezeigt werden. Damit bringt man die offizielle Politik in Zugzwang. Nicht-Reagieren wäre doch eine matte Sache. Brigitte Pilz

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