Wieso die Klimakrise die Ungleichverteilung verschärft

Von Eva Six · · 2023/Nov-Dez
Wie ein Spielzeug nimmt sich das überlebenswichtige Fischerboot gegen die Luxusyacht in der Bucht von Lan Ha in Vietnam aus. © Ameya Sawant / Unsplash

Die globale Ungleichverteilung von Reichtum wird durch die Klimakrise verschärft. Abhilfe können nur politischer Wille und globale Steuersysteme schaffen. Eine Analyse.

Die Schere klafft auseinander; vom Vermögenskuchen bleibt für die Mehrheit der Weltbevölkerung nur ein dünnes Stück – egal welche Metapher man bemüht, Ungleichheit ist eine der Herausforderungen unserer Zeit.

Deutlich ist die starke Kluft zwischen den Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung beziehen 52 Prozent des globalen Einkommens, während die untere Hälfte nur 8,5 Prozent erhält. Die globale Einkommensverteilung bezieht sich auf die Verteilung von nationalen Einkommen, also die Summe aller Einkommen von Einwohner:innen eines bestimmten Landes im Laufe eines Jahres.

Die Wurzeln dieser Ungleichheit sind in der Geschichte von Industrialisierung, Imperialismus und Kolonialismus zu finden. Da in den meisten Ländern die jeweiligen nationalen Eliten am meisten von diesen Entwicklungen profitierten, wurden auch bereits bestehende innerstaatliche Ungleichheiten weiter verschärft.

Ab 1945 konnten einige Länder – vor allem im Globalen Norden – die Einkommensungleichheit reduzieren. Dies gelang durch den Ausbau von Wohlfahrtsstaaten, starke Gewerkschaften und eine progressive Besteuerung – eine Steuerpolitik, bei der Personen, die mehr verdienen, ei-
nen höheren Prozentsatz an Einkommensteuern zahlen.

Seit den 1980er Jahren war jedoch eine Zunahme der globalen Einkommensungleichheit zu verzeichnen, wenn auch in unterschiedlichem Tempo und Ausmaß. Dieser Anstieg ist zum Großteil auf die Implementierung neoliberalerer Wirtschaftspolitik in Form von Deregulierungen (insbesondere im Bereich Finanzen und Arbeitsmarkt), Privatisierungen von staatlichen Unternehmen und Dienstleistungen, Einschränkungen der Sozialausgaben, sowie Steuersenkungen und dem damit verbundenen Rückbau des Sozialstaates zurückzuführen.

Die Wirtschaftspolitik Margaret Thatchers, britische Premierministerin von 1979 bis 1990, gilt als ein Paradebeispiel dafür.

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Einkommenskluft zwischen den Ländern verringert, hauptsächlich aufgrund des starken Wachstums in China, Indien und anderen südostasiatischen Nationen. Dennoch besteht nach wie vor eine erhebliche Schieflage in der globalen Einkommensverteilung.

Eine Machtfrage. Wenn wir über materiellen Reichtum sprechen, müssen neben der Verteilung von Einkommen auch Vermögen betrachtet werden.

Zur Erklärung: Einkommen bezeichnet jenes Geld, das Menschen in einem bestimmten Zeitraum verdienen. Dabei gibt es zwei Hauptquellen: Einkommen aus Arbeit (z. B. Löhne und Gehälter) und Einkommen aus Kapital (z. B. Zinsen und Dividenden). Vermögen hingegen bezeichnet den Gesamtwert aller Besitztümer, einschließlich finanzieller und materieller Vermögenswerte, wie etwa Wertpapiere oder Immobilien.

Die Verteilung von Vermögenswerten ist dabei noch viel ungleicher als die von Einkommen, sowohl innerhalb der Länder als auch global betrachtet: Die reichsten zehn Prozent besitzen drei Viertel des weltweiten Vermögens, während die untere Hälfte nur etwa zwei Prozent hält.

© SWM / Quelle: wid.world 2022

Die extreme Konzentration von Vermögen in den Händen weniger gefährdet die Demokratie. Tatsächlich können wohlhabende Personen mit ihrem Vermögen politische Macht und Einfluss ausüben, wodurch sie die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten und ihre Privilegien absichern können. Diese Ungleichverteilung von politischem Einfluss hat zur Folge, dass das Vertrauen in demokratische Prozesse und Institutionen kontinuierlich erodiert – hierzulande lässt sich dies etwa durch den jährlich veröffentlichten Demokratiemonitor des Sora-Instituts festmachen.

Die globale Ungleichverteilung der Vermögen ist – wie jene der Einkommen – durch ein gewichtiges Nord-Süd-Gefälle gekennzeichnet. Obwohl nur 15 Prozent der Weltbevölkerung in Europa und Nordamerika leben, besitzen sie mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens. Das hat zur Folge, dass ein entsprechendes Machtgefälle in internationalen Institutionen und bei globalen Entscheidungen besteht, etwa in Bezug auf Strategien zur wirtschaftlichen Entwicklung, den Klimaschutz und die Besteuerung multinationaler Unternehmen und Vermögen.

Eine weitere negative Konsequenz der extremen Vermögenskonzentration ist, dass sie Folgen für den Klimaschutz hat: Das exorbitante Konsumverhalten der reichen Bevölkerungsgruppen trägt zu einer massiven Verschärfung der Klimakrise bei: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich, während die ärmere Hälfte nur 12 Prozent dazu beiträgt.

Steuern als Hebel. Extreme Vermögensungleichheit und ihre negativen Folgen sind das Ergebnis von ungleichen Machtverhältnissen und politischem Versagen. Die Bekämpfung dieser Schieflage erfordert daher entschlossenes und demokratisch legitimiertes Handeln auf nationaler und internationaler Ebene.

Auf nationaler Ebene ist eine Angleichung der Besteuerung von Arbeit und Kapital durch progressive Vermögenssteuern dringend erforderlich. Darüber hinaus könnte die Einführung von Obergrenzen für Vermögensbesitz sowie die Besteuerung von Erbschaften zu einer Reduktion der Ungleichheiten beitragen.

Zum Nachlesen:  

AK Wien (2021): Globalisierungskompass – Orientierungshilfe für eine gerechte Weltwirtschaft. ÖGB Verlag.
arbeiterkammer.at/globalisierungskompass  

World Inequality Lab (2022): World Inequality Report 2022.
wir2022.wid.world  

Zusammenarbeit gefragt. Auf internationaler Ebene ist eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Erfassung von Vermögen unerlässlich, um eine gerechte Besteuerung reicher Personen und insbesondere multinationaler Konzerne zu ermöglichen.

Um dem internationalen Steuerwettbewerb und Steuerschlupflöchern Einhalt zu gebieten, ist die Festlegung eines weltweiten Mindeststeuersatzes auf Kapitalerträge und Unternehmensgewinne von entscheidender Bedeutung. Eine globale Finanztransaktionssteuer könnte zudem der Unterbesteuerung des Finanzsektors entgegenwirken und reichere Bevölkerungsgruppen in die Pflicht nehmen. Denn wer auf den globalen Finanzmärkten durch den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten (wie etwa Rohstoffe oder Währungen) Millionenbeträge bewegt, müsste so eine kleine Steuer auf jede Transaktion zahlen: Bei einem Steuersatz von 0,1 Prozent und einer Transaktion von einer Million Euro würde das Steuereinnahmen in der Höhe von 1.000 Euro generieren – und das bei Millionen von täglichen Transaktionen. Es ist höchste Zeit, reiche Personen in die Pflicht zu nehmen, die vielen Schieflagen und ungleiche Machtverhältnisse zu korrigieren und eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für alle anzustreben.            

Eva Six ist Ökonomin und arbeitet als Referentin für Verteilungsfragen in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien.

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