Windhund im Monsunwind

Von Redaktion · · 2010/09

Im Juli begab sich die Gruppe Otto Lechner & Windhund gemeinsam mit der Schauspielerin Anne Bennent, mit Gastmusikern, Kindern, Partnern, Tourorganisatoren und Reisebegleitern auf eine lang vorbereitete Tournee durch Ostafrika. Für das Südwind-Magazin dabei war Anna Soucek.

Der Akkordeonist Otto Lechner, die Cellistin Melissa Coleman und Karl Ritter an der Gitarre sind, jeder für sich, hervorragende Musiker, die, jeder für sich, bemerkenswerte Karrieren und künstlerische Werdegänge hinter sich und vor sich haben. Auch das Zusammenspiel der drei funktioniert, als würden sie sonst nichts anderes tun, also ausgesprochen wundervoll. So wundervoll, dass die meisten gar nicht auf die Idee kommen würden, dass es die Musik, die sie hier hören, eigentlich gar nicht gibt. Denn sie entsteht in dem Moment, als sie auch schon wieder verklungen ist: feine Improvisation eben.

Was herauskommt, wenn fremdartige Klänge und Rhythmen sich in dieses Gefüge einschleichen, konnten die MusikerInnen bereits bei Konzerten in Wien, Linz und Graz ausprobieren: Zwei Musiker aus Sansibar, Sekembuke und Siga, meisterhafte Zumari-Horn-Bläser, verbrachten den Mai in Österreich und traten gemeinsam mit den Windhund auf. Jedes Konzert klang dabei anders, es war stets wie ein ganz neues Kennenlernen – denn geprobt wurde kaum. Ausprobiert wird vor Publikum.

Die erste Station und gleichzeitig Ort des längsten Aufenthaltes in Ostafrika war die Insel Sansibar, als halbautonome Republik dem Festlandstaat Tansania zugehörig. Anders als bei Tourneen, deren Zweck das Absolvieren eines Konzertprogramms und das Zurücklegen der Distanzen zwischen den Spielorten besteht, war die Windhund-Reise mit einem humanen und für Unvorhergesehenes offenen Verständnis von Zeit und Raum, von Musik und Austausch angelegt. So gab der von Peter Kuthan und Anna Kuthan, zwischen Linz und Sansibar, zusammengestellte Tourplan den MusikerInnen gut zwei Wochen Zeit, um sich in Sansibar umzusehen und vor allem umzuhören. Und ja, es gab zwischendurch auch Programmpunkte, die man ohne Weiteres als Urlaub verbuchen könnte.

Professioneller Kern des Sansibar-Programms war ein viertägiger Workshop in der Dhow Countries Music Academy, kurz DCMA, einer über Sansibar hinaus bekannten Musikschule, die dem Erhalt und der Praxis des lokalen Musikstils Taarab gewidmet ist. Taarab klingt sonderbar und geht dennoch sofort ins Ohr. Es ist eine Mischung aus arabischen und Swahili-Elementen, schwere Lieder mit tiefgründigen Texten. Wie diese spezifisch sansibarische Tradition mit österreichischer Improvisationskunst zusammengeht? Sie geht. Nicht wie Liebe auf den ersten Blick, aber vielleicht wie gegenseitige Sympathie, die zu einer festen Freundschaft anwachsen kann. Wenn man das zulässt.

„Diese Weltreisen…“, seufzte Otto Lechner an einem der Workshop-Tage, als er aus dem Proberaum auf den Gang der DCMA trat. Er zündete sich eine Zigarette an und lächelte zufrieden. Hinter ihm lag eine gute Stunde intensiven Musizierens mit lokalen Musikern, mit den Windhund-Gefährten Karl Ritter und Melissa Coleman, sowie mit einer Sängerin, die gemeinhin und zurecht als „lebende Legende“ bezeichnet wird. Bi Kidude ist von beeindruckender Erscheinung. Ihr Alter wird auf zwischen 80 und 120 geschätzt, sie ist elegant gekleidet und in ihrer Stimme klingen große Gefühle wie Liebe, Sehnsucht und Leid mit, aber auch Selbstbewusstsein, Kampfgeist und koketter Humor. In Sansibar wird sie angebetet, ebenso wie am Festland, wo selbst die Jüngsten wissen, wofür Bi Kidude steht.

Das wurde offensichtlich, als sie in Temeke die Bühne betrat. Gemeinsam mit den Windhund sowie ihren StammmusikerInnen aus Sansibar spielte Bi Kidude ein bestens besuchtes Konzert inmitten einer Wohngegend in Dar es Salaam, der tansanischen Metropole. Anlass für das Konzert an genau diesem Ort war eine Aktion des Spitals CCBRT, zu deren Partnerorganisationen Licht für die Welt gehört: Die BewohnerInnen des Townships Temeke wurden eingeladen, ihre Sehkraft testen zu lassen, und zwar an eben jenem häufig frequentierten Knotenpunkt des Viertels, wo tags zuvor das Konzert stattgefunden hatte. Musik im Dienste der Information und der Gesundheit, generationen- und kulturenübergreifend – es ist einen Versuch wert, meinte Otto Lechner, der selbst blind ist.

Die Tournee führte weiter nach Bagamoyo, eine verzauberte Kleinstadt an der Küste Tansanias, von deutschen Kolonialbestrebungen und Sklavenhandel geprägt. Und nach Nairobi, wo ein urbanes, gemischtes, höchst aufgeschlossenes Publikum den Windhund einen wundervollen Abschluss der Tournee bescherte. Die Eindrücke waren stark, die Begegnungen spannend und das Gepäck auf der Rückreise um eine afrikanische Königstrommel reicher.

Die Autorin ist freie Mitarbeiterin bei Ö1 und begleitete Otto Lechner & Windhund als Reiseberichterstatterin auf ihrer Ostafrika-Tournee.

Tipp: Am 28. September 2010 laden die Windhund zu einem Ostafrika-Abend mit Musik, Bildern, Berichten und Souvenirs. Aktionsradius Augarten, Gaußplatz 11, 1020 Wien.
Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt: Hutspende.
Reisetagebuch der Tournee: www.windhundrecords.com/blog

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