Delphine Djiraibe ist Koordinatorin der tschadischen NGO „Appel pour La Paix“ (Aufruf zum Frieden), eines Zusammenschlusses von mehr als 150 zivilgesellschaftlichen Gruppen. Sie ist eine der prominentesten MenschenrechtlerInnen von Tschad. Südwind-Mitarbeiter Peter Böhm hat sie in Berlin getroffen.
Südwind: Die Beziehungen zwischen Sudan und Tschad sind auf einem Tiefpunkt. Warum?
Delphine Djiraibe: Beide Regierungen werfen sich wohl nicht zu Unrecht gegenseitig vor, dass sie jeweils Rebellenbewegungen im anderen Land unterstützen. Doch für Tschad zumindest gilt, dass es auch ohne den Einfluss von Sudan eine innere wirtschaftliche, soziale und militärische Krise gibt, die droht, das Land in den Bürgerkrieg zu stürzen.
Der Osten von Tschad ist gerade Schauplatz ethnischer Säuberungen. Was sind die Ursachen dafür?
Zunächst ist zu sagen, dass im gesamten Land halbnomadische Viehzüchter und sesshafte Bauern auf engem Raum zusammenleben. Auch sind nach vierzig Jahren fast ununterbrochenen Bürgkriegs Waffen überall zu haben. Das Konfliktpotenzial ist also im ganzen Land vorhanden. Aber nur im Osten ist der Konflikt tatsächlich ausgebrochen, weil ihn eben genau dort die politisch Verantwortlichen aus Sudan und Tschad geschürt haben, um ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Ohne den Einfluss von außen wäre es zu dem Konflikt nicht gekommen?
Davon bin ich überzeugt. Zumindest nicht in dem Ausmaß.
In einem Vortrag haben Sie aber vor kurzem selbst gesagt, dass das Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen im Tschad völlig vergiftet ist.
Die Geschichte des unabhängigen Tschad ist eigentlich die einer Abfolge von Kriegsfürsten, die diktatorische Regime errichtet haben und sich gegenseitig stürzten. Der heutige Präsident Idriss Déby hat 1990 die Macht mit Gewalt an sich gerissen und sich seitdem vor allem auf seine ethnische Gruppe gestützt, die Zaghawas. Fast jeder, der im Staat etwas zu sagen hat, ist ein Zaghawa. Wenn ich heute einen Zaghawa treffe, denke ich, der hat so viele Verbrechen begangen, hat die Leute in den anderen Landesteilen unterdrückt und umgebracht. Gegenüber dem habe ich kein Vertrauen, und das geht nicht nur mir so.
Als im Dezember tschadische Rebellen einige Städte im Osten des Landes eingenommen haben, brachten die Zaghawas in der Hauptstadt N’Djamena Berichten zufolge ihre Familien über den Fluss nach Kamerun. Die haben natürlich Angst vor Racheakten, wenn sie die Macht verlieren.
Sicher. Nur ist das extrem kurzsichtig. Der beste Schutz gegen Angriffe ist doch, dass mich die anderen im Land nicht hassen. Genau deshalb brauchen wir in Tschad eine Versöhnungskonferenz: damit wir Konflikte an ihrer Wurzel angreifen, und die Leute erst einmal wieder miteinander reden können, ohne voreinander Angst zu haben.
Wie stellen Sie sich eine solche Konferenz vor?
Wir hatten 2006 schon eine in N’Djamena. Es waren alle eingeladen: politische Parteien, Gewerkschaften, traditionelle Führer, zivilgesellschaftliche Gruppen. Und fast alle sind gekommen – außer der Partei des Präsidenten. Sie hat das Treffen boykottiert und die Sicherheitskräfte haben alle eingeschüchtert, so dass wir die Konferenz schließlich aufgeben mussten.
Sind Sie in Europa, um für eine weitere solche Konferenz zu werben?
Ja, genau. Wir waren vor einigen Monaten schon in Frankreich, nun sind wir in Deutschland. Das Ziel der EU für den Tschad ist, dass dort in diesem Sommer zuerst Lokal- und Regionalwahlen und dann Parlamentswahlen stattfinden. Aber Wahlen würden zu diesem Zeitpunkt nichts bringen. Wir müssten erst einmal grundsätzlich auf einer Versöhnungskonferenz miteinander reden. Man hat ja gesehen, was aus den Präsidentschaftswahlen im Sommer 2006 geworden ist. Sie entsprachen nicht einmal annähernd demokratischen Standards, und, schlimmer noch, sie haben die politische Situation verschärft und wieder zu bewaffnetem Kampf um die Macht geführt. Nachdem Déby die Verfassung geändert hat und sich zum dritten Mal zum Präsidenten wählen ließ, haben seine Getreuen angefangen, gegen ihn zu putschen. Als das nicht zum Erfolg geführt hat, sind sie in den Busch gegangen, um Rebellenbewegungen zu gründen. Sie sind es, die heute Städte im Osten des Landes überfallen.