„Wir müssen Sklaverei ein für allemal beenden“

Von Brigitte Pilz · · 2007/02

Im Schatten kriegerischer Auseinandersetzungen kam es im Laufe der Jahrhunderte immer schon zu Verschleppung und Versklavung. In jüngster Vergangenheit passierte dies in Sudan. James Aguer und sein Dinka-Komitee kämpfen seit Jahren für die Befreiung tausender SklavInnen. Er wurde mit dem Anti-Sklaverei-Preis 2006 geehrt.

Sklaverei ist unmenschlich und entwürdigend. Wir dürfen nicht zulassen, dass es sie im 21. Jahrhundert noch gibt. Wir müssen Sklaverei ein für allemal beenden. Das ist eine moralische Forderung“, bekannte der Sudanese James Aguer am 28. November, als ihm in London der Anti-Sklaverei-Preis 2006 der Anti-Slavery Organisation überreicht wurde. Seit vielen Jahren ist James Aguer in seiner Heimat gemeinsam mit anderen Angehörigen des Dinka-Volkes aktiv, um SklavInnen zu identifizieren, zu befreien und sie in ihre Heimatdörfer zurückzubringen.
SklavInnenhandel gab es in Sudan schon in vorkolonialen Zeiten, er ebbte dann während der britischen Herrschaft ab, um mit der Staatswerdung 1956 wieder aufzuflammen. Denn gleichzeitig begann der bis heute andauernde bewaffnete Konflikt im Land. Hauptstreitpunkt ist die Forderung nach Unabhängigkeit des Südens mit seiner hauptsächlich schwarzafrikanischen Bevölkerung christlich-animistischen Glaubens vom Norden, dessen Bevölkerung mehrheitlich arabischer Herkunft und islamischen Glaubens ist. Auch wirtschaftliche Gründe, allen voran Ölvorkommen im Süden, lassen das Land nicht zur Ruhe kommen. Seit 2003 eskaliert der Bürgerkrieg im Westsudan in der Region Darfur mit grausamsten Folgen für die Zivilbevölkerung.

Menschenhandel wurde im Schatten der Kämpfe zwischen sudanesischen Regierungstruppen und der SPLA/M (Sudan People’s Liberation Army/Movement) systematisch betrieben. Die halbnomadischen Baggara-Milizen aus dem Grenzgebiet zwischen Norden und Süden überfielen, mit Unterstützung oder zumindest Duldung der Regierung, Dörfer im Süden und verschleppten viele, vor allem Frauen und Kinder. Sie wurden in nördlichen Regionen als HaussklavInnen oder für landwirtschaftliche Zwangsarbeit verkauft. Viele der Opfer waren Dinka, weil dieses Volk damals die Mehrheit der Mitglieder in der SPLA/M stellte.
„Als ich 20 war, wurde mein Dorf Ajok überfallen, ich konnte fliehen“, erzählt James Aguer. Seine Mutter wurde getötet, weil sie sich weigerte, ihr jüngstes Kind, eine Tochter, den Milizionären zu überlassen. In einem Flüchtlingslager in Khartum entstand 1989 das Dinka-Komitee. James Aguer wurde sein Leiter. Seit damals ist er mit Gleichgesinnten unermüdlich unterwegs, um SklavInnen zu identifizieren und zu befreien. Als Araber verkleidet bereisten sie Darfur und Kurdufan, manche Nomadenführer halfen, andere bedrohten sie. 33 Mal wurde James Aguer verhaftet. „Rund 4.500 Personen konnten wir bisher ausfindig machen und wieder heimführen. Mindestens 10.000 warten noch auf ihre Befreiung.“ Viele warten vielleicht nicht mehr. Besonders Kinder haben ihre Herkunft vergessen und ihre Sprache, ihr Name wurde gegen einen arabischen ausgetauscht. Mädchen wurden verheiratet.

Das Dinka-Komitee trat mit ausländischen Botschaften und internationalen Organisationen in Verbindung. Sie halfen, den Druck auf die Regierung zu verstärken, die sich gezwungen sah, 1999 das Komitee zur Ausrottung der Verschleppung von Frauen und Kindern (CEAWC) zu nominieren. Zuerst war die Zusammenarbeit zufriedenstellend. Man half beim Identifizieren Gefangener. Routen für die Heimkehr befreiter SklavInnen wurden gesichert. Irgendwann ging dem Komitee das Geld aus, seine Arbeit verlief mehr oder weniger im Sand.
Neben diesen Komitees hat sich die Christian Solidarity International (CSI), eine Menschenrechtsorganisation, in Sudan engagiert. Allerdings wurde ihre Methode des Freikaufs von SklavInnen stark kritisiert, da sie den SklavInnenhandel anheize.
Versklavung und Sklavenhandel in Sudan haben ihre Ursache eindeutig in den kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie werden systematisch eingesetzt, nicht nur um lukrative Beute zu machen, sondern auch um den Gegner zu schwächen. Seit 2002 haben mit den Friedensgesprächen zwischen der Regierung und dem SPLM auch die Verschleppungen aufgehört. Im Jänner 2005 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet. Ein Referendum soll den weiteren Status des Südsudan klären. Wie viele der ehemals versklavten Menschen daran in Freiheit werden teilnehmen können, ist heute noch eine offene Frage. James Aguer appellierte in seiner Dankesrede an die internationale Gemeinschaft, weder im Südsudan, noch in Darfur, noch in anderen Teilen Afrikas und der ganzen Welt eine Wiederkehr der menschenverachtenden Praxis der Sklaverei zuzulassen. „Viel wurde gemacht, Hilfe wurde gewährt, doch es ist nicht genug.“

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