Wozu ist ein Ehemann gut?

Von Charles Mungoshi · · 2000/06

Als Sara am späten Nachmittag mit ihren Kombi-Freundin-nen nach Johannesburg abgereist war, fuhr Nhongo verär-gert zurück nach Chitungwiza und warf eilig ein paar Sachen in eine Tasche. Ella, dem Hausmädchen, trug er auf, die Kin-der in saubere Sachen zu stecken und ins Auto zu verfrach-ten. Wir fahren nach Hause aufs Land, sagte er. Zehn Minuten später ließen sie Zengeza hinter sich, überquerten die neue Brücke über den Manyame in Richtung Ausfahrt Mbudzi, von wo aus sie die Simon Mazorodze Road Richtung Süden nach Chivhu nehmen würden.

Eigentlich hatte Nhongo gar nicht zu seinen Eltern fahren wollen, doch als er gesehen hatte, wie ihm Sara, seine Frau, am Nachmittag vor dem Monomotapa-Hotel durch das Fen-ster des Kombis zuwinkte, ihm Küsse zuwarf und lachte, war es ihm mit einem Mal so vorgekommen, als gehörte sie mehr ihren Freundinnen als ihm. Und plötzlich war in ihm die Sehnsucht aufgestiegen, in dem Daga-Haus seiner Mutter zu sitzen und von der Dovi zu naschen. Ein seltsamer, unwider-stehlicher Drang, die Orte seiner Kindheit wieder zu sehen, hatte von ihm Besitz ergriffen, wieder einmal durch das hohe taufeuchte Gras zu streifen, nach Matufu, Hute, Nzviro und Maroro zu suchen, den wilden Früchten der Kindertage.

An der Eight-Mile-Tankstelle lenkte er das Auto von der Hauptstraße herunter und bat den Tankwart aufzutanken. Er stieg aus dem Auto und ging hinüber zum Kiosk, um den Kin-dern Kartoffelchips und Limonade zu kaufen. Seine neuen Schuhe drückten, und ihm wurde heiß hin-ter den Ohren, als er hörte, wie sie quietschten, als er über den harten Asphalt der Tankstelle ging. Er hatte das Gefühl, dass alle Leute ihn anstarrten. Aus einem seltsamen Grund heraus, der in ihm die Wut hochkochen ließ, erschien es ihm, als ob alle hier wussten, dass seine Frau ihm diese unbequemen, ange-berischen Schuhe geschenkt hatte. Sie hatte darauf bestan-den, dass er sie auf der Fahrt in die Stadt trug, wo sie in den Kleinbus nach Jo’burg steigen wollte. Und in seiner Wut hatte er vergessen, die Schuhe wieder auszuziehen, nachdem er zu Hause in Chitungwiza angekommen war. Jetzt musste er sie den ganzen Weg bis zum Gehöft seiner Eltern anbehalten. Eine sonderbare Kindheitsangst erfasste ihn: Seine Eltern würden ihn fragen, woher er diese Schuhe hatte. So sehr er sich auch bemühte, es fiel ihm immer noch schwer, den Gedanken abzuschütteln, dass alles, was er tat, erst von sei-nen Eltern genehmigt werden musste. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Sara ihn deswegen verachtete…

Seit sechzehn Jahren verheiratet, vier Kinder, die beiden älteren, ein Junge und ein Mädchen, gerade in einer Inter-natsschule, hatte Nhongo immer in dem sicheren Gefühl gelebt, dass nichts seine Familie gefährden könnte. In der Tex-tilfabrik, für die er in Harare arbeitete, war er bis zum Grup-penleiter aufgestiegen. Er bekam gutes Geld und war im Besitz der Party-Card, war ein geachtetes Mitglied der Gesell-schaft sowohl im Beruf als auch in Zengeza, wo er mit seiner Familie wohnte. Als vorsichtiger, sicherheitsbewusster Fami-lienmensch hielt er sich streng an den alten Leitsatz: Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Er ging keine Risiken ein. Er achtete und ehrte die Alten, vor allem seine Eltern. Sara war der Meinung, dass er zu große Angst vor seinen Eltern hatte, um sie wirklich achten und ehren zu können. Sollte sie doch denken, was sie wollte: Wer war sie denn überhaupt?

Er hatte sie geschwängert, als sie in die dritte Klasse der Gutu Secondary School ging. Er war eher von der Schule gegangen und hatte schon zwei Jahre Arbeit hinter sich. Seine Eltern waren bereits der Ansicht, dass er sich als erstge-borener Sohn mit dem Heiraten zu viel Zeit ließ. Deshalb waren sie sehr glücklich, als ihnen eines Tages zwei Frauen -eine ältere und ein junges Mädchen – einen Besuch abstatte-ten. Sie ließen sich genau vor dem Hof nieder. Der Kopf des Mädchens war mit einer Sambia bedeckt. Sie konnten sehen, dass die junge Frau hochschwanger war. Nach weniger als einem Monat waren Saras und Nhongos Familien miteinander verschwägert…

Hand aufs Herz, er konnte schwören, dass es Sara in ihrem Eheleben niemals an etwas gefehlt hatte. Fröhlich hatte sie das Kinderkriegen hinter sich gebracht und die Haushalts-pflichten erledigt, und er konnte sich nicht erinnern, dass sie sich jemals über etwas beklagt hatte. Nhongo hätte auch schwören können, dass Sara niemals unglücklich mit ihm gewesen war. Konnte er sich dessen aber sicher sein?

Nhongo geriet ins Grübeln: Er versuchte, mit einer neuen Sara klarzukommen. Er hatte ihr etwas verwehrt. Nach der Geburt ihrer ersten beiden Kinder hatte sie eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht, hatte sogar die Zwischenprüfungen bestanden, dann aber den Gedanken verworfen, eine Anstel-lung in einem Büro anzunehmen, weil sie die Manager nicht mochte, die ťmir beim Vorstellungsgespräch die ganze Zeit auf die Brüste stierenŤ. Nhongo hatte heimliche Erleichte-rung verspürt. Ihre Entscheidung hatte ein nagendes Prob-lem gelöst, ohne dass er sich offenbaren musste. Er hatte sich gewünscht, dass Sara eine Anstellung bekam, dass sie tat, wor-auf sie Lust hatte. Schließlich machte das heutzutage fast jede Frau so. Doch tief im Inneren war Nhongo Traditionalist, ein Stammesmensch, wie er und seine wenigen Freunde sich selbst bezeichneten. Wozu ist ein Ehemann gut, wenn seine Frau ebenfalls arbeiten gehen muss?

Nhongo hatte nicht vorgehabt, früher als in fünf Jahren aus der Textilfabrik auszuscheiden. Vielleicht auch erst ein paar Jahre später. Doch eines Tages hatte man ihm wie aus heiterem Him-mel mitgeteilt, dass die Fabrik in Liquidation gehe. Nhongo, der noch nie arbeitslos gewesen war, dachte, dies sei ein Scherz … zumindest am Anfang … Ein Jahr später saß er zu Hause.

Könnte es sein, dass das ständige Nörgeln wegen Geld sie dazu getrieben hatte? Oder war es möglich, dass sie immer davon geträumt hatte, selbst etwas zu tun, dass sie die Zeit abgewartet hatte, bis sich eine Möglichkeit bot? Wie dem auch sei, was am Anfang stand – oder zumindest glaubte er, dass das am Anfang gestanden hatte – war eigentlich nicht der Rede wert: Es hatte sich bloß um getragene Sachen gehandelt.

So weit Nhongo sich erinnern konnte, hatte Sara nie Freundinnen oder Freunde gehabt, Leute, die sie besuchten, mit denen man seine Zeit verbrachte und umgekehrt. Trotzdem, irgendjemand hatte ihr von Mupedzanhamo erzählt, dem Altkleidermarkt in Mbare, auf der anderen Seite der Stadt. Und eines Tages kam Nhongo nach Hause und musste erleben, wie Sara sich durch einen Berg Kindersachen und Frauenkleider wühlte. ťIch möchte helfenŤ, hatte sie gesagt.

Und er hatte auch etwas gesagt – er hatte sie ermutigt, obwohl ihm der Gedanke, dass seine Frau von Tür zu Tür zog und Mazitye verkaufte – so hießen diese Sachen, die zumeist aus Sambia und Mosambik stammten, im Volksmund -, über-haupt nicht gefiel. Da er aber vollauf damit beschäftigt war, selbst nach einer Anstellung zu suchen, hatte er Sara und ihren Geschäften keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Bis er eines Tages, als er nach Hause kam, Gelächter aus dem Haus schallen hörte, bevor er noch die Veranda erreicht hatte.

ťDas sind meine FreundinnenŤ, hatte Sara ihm die vier Frauen vorgestellt, die fast unter Kleiderbergen begraben waren. Nhongo hätte schwören mögen, dass er zumindest drei von ihnen in der Nähe eines der Nachtklubs in der Innenstadt gesehen hatte. Er hatte etwas zur Begrüßung gegrunzt und sich ins Schlafzimmer verzogen.

In der Diele unterhielten sich die Frauen mit einander übertönenden Stimmen und lachten so laut, dass man es bestimmt noch drei Kilometer weiter bis zu Chikwanha’s hören konnte. Sie redeten über Mosambik, Sambia, Botswa-na, Südafrika. Und sogar über Mauritius.

Von diesen Ländern sollte Nhongo in den nächsten Monaten immer wieder zu hören bekommen. Sara hatte jetzt Freundinnen. Ihre An-und- Verkauf-Freundinnen. Und es sah so aus, als hätte sich ihr eine völlig neue Welt aufgetan. Und sie war wie ein kleines Kind, das sich in der neuen Welt verlaufen hatte. Vor lauter Staunen. Diese Welt machte Nhongo Angst. Wenn ihre Freundinnen da waren, kam er kaum noch zu Wort. Sie beherrschten einfach alles. Es kam ihm so vor, als hätte er sein Haus am Ufer eines Flusses gebaut und nun drohte eine Flut es wegzuspülen. ťIst es bloß das Geld?Ť hatte er sie einmal gefragt. ťJemand muss doch arbeitenŤ, hatte sie ihm unschuldig erwidert.

Nhongo hatte immer geglaubt, er sei gerecht, vernünftig, liebevoll und rücksichtsvoll. Er hatte immer der Ehemann sein wollen, den sie ihren Freundinnen und Nachbarinnen voller Respekt hätte schildern können. Langsam aber wurde es ihm zu viel. Es schien ihm, als wür-den sie ihr Familienleben nunmehr auf der Veranda führen, vor den Augen aller. Das Schlimmste war, dass Sara Erfolg hatte. Und er, Nhongo, kam sich so hilflos vor, weil er nichts tun konnte. (Lag es vielleicht daran, dass er kein eigenes Geld hatte?)

Nhongo war sich auch bewusst, dass er jetzt von ihr ab-hängig war. In der Anfangszeit ihrer Ehe hatte er ihr gegen-über einmal erwähnt, dass sie niemals das Geld zwischen ihre Liebe treten lassen wollten. Er hatte Arbeit und verdiente Geld, das seinen Namen wert war. Er war so gut bei Kasse, dass er es sich leisten konnte zu sagen, Geld spiele keine Rolle. Nun begriff er, dass Geld immer eine Rolle spielte… Wenn Sie wissen wollen, wie es mit Nhongo und Sara weitergeht, lesen Sie die ganze Geschichte „Der Hase“, entnommen dem Buch „Von Frauen und anderen Geliebten“ von Charles Mungoshi aus Simbabwe, Marino Verlag, München 1999, ATS 218,-.

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