Wutbürger-Denkmal

Von Redaktion · · 2012/02

Georg Bauernfeind ist unser Reporter des Wahnsinns

Prinzipiell braucht man als Reporter natürlich eine Spur Neugier. Wenngleich der Alltag in Redaktionen nicht immer dem entspricht, was sich vielleicht manche vorstellen: der Reporter, eine Mischung aus Colombo und James Bond. Doch bei aller auch in mir auffindbarer Neugier bin ich bei manchen Themen unentschlossen, ob ich mich dafür interessieren soll oder nicht: Wutbürger zum Beispiel. Das ist so ein Thema, wo ich mir nicht sicher bin, ob ich mir das antun soll. Was mach ich, wenn der Wutbürger seine Wut nicht mehr zügeln kann, nur weil ich ihn frage: „Geh bitte, wegen dem bisserl Verdrossenheit gleich so ein ungezügeltes Übermaß an ‚einfach nichts tun’ an den Tag legen?“ Vielleicht überlegt es sich der Wutbürger dann genau in diesem Moment und betätigt seine Fäuste, die er sonst – wild entschlossen, seine Gliedmaßen nicht über Gebühr zu beanspruchen – fest in seinen Hosentaschen parkt.

Als ich dann allerdings auf meinem Schreibtisch eine Einladung zur Enthüllung eines Wutbürger-Denkmals vorfand, war die Neugier größer als die Angst. Man hört ja immer nur, dass es den Wutbürger gibt, man hört ihn aber selten direkt. Die Wut scheint nicht hinausgeschrien, sondern beim Klo hinuntergespült zu werden. Aber wenn wir das mit der Demokratie ernst meinen, dann müssen wir uns wohl auch mit dem Wutbürger auseinandersetzen, sagte ich und pilgerte zur Eröffnung des Wutbürger-Denkmals. Diese fand beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Schließlich nieselte es – für die geladenen Wutbürger unzumutbare Zustände.

Die Bronzeskulptur sah folgendermaßen aus: Ein dicker Mann saß in einem gerippten Unterziehleibchen auf der Couch, die Füße auf dem Beistelltisch, den Hund auf dem Schoß, in einer Hand die Fernbedienung, in der anderen eine Gießkanne, mit der er eine Zimmerpflanze gießt. (Ein bisschen grün geht immer.) Der Künstler, der die Skulptur schuf, ging auf das Schicksal dieses vom Leben gezeichneten Wutbürgers ein: Städtereisen nach Paris seien bald so teuer wie ein Schnitzel beim Wirt ums Eck! Die Jungen werden immer frecher und wollen richtige Anstellungsverhältnisse! Und das dritte Auto sei fast schon so teuer wie die dritten Zähne! Einfach alles eine Frechheit!

Dann kam ein Politiker an die Reihe, der dem Künstler und dem Wutbürger „in uns allen“, wie er es formulierte, dankte. Schließlich sei nur durch ein echtes zivilgesellschaftliches Nichtengagement der so schwer erreichte Status quo aufrecht zu erhalten.

Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien. Termine für das Nachhaltigkeitskabarett „Wurscht und Wichtig“ von Georg Bauernfeind und Manfred Linhart auf www.georg-bauernfeind.at und in diesem Heft auf S. 50.

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