Zukunftsvisionen

Von Robert Poth · · 2007/05

Biokraftstoffe der 2. Generation sollen die Lösung zweier Probleme bringen, die ihre aktuellen Vorläufer plagen: Die begrenzte Rohstoffbasis und die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Ob und wann es so weit kommt, ist nicht absehbar.

Eines der Argumente für die Förderung von Biokraftstoffen auf Basis heutiger Technologie ist die Hoffnung, sie könnten als Wegbereiter für so genannte „Biokraftstoffe der 2. Generation“ dienen. Darunter werden flüssige Kraftstoffe verstanden, die aus Zellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, hergestellt werden. Die EU hat das Anfang März beschlossene Ziel von einem 10%- Anteil an Biokraftsstoffen für den Straßenverkehr begrüßenswerterweise unter den Vorbehalt der Verfügbarkeit von Biokraftstoffen der 2. Generation gestellt.
Wären solche Verfahren wirtschaftlich, könnte einerseits ein weit größerer Teil des Energiegehalts von Nutzpflanzen gewonnen, andererseits die Rohstoffbasis auf beliebige Biomassequellen erweitert werden. Holzabfälle oder Erntereste wie Stroh kämen genauso in Betracht wie zellulosereiche Pflanzen, darunter Rutenhirse oder Elefantengras, aber auch Bäume wie Eukalyptus, Weiden oder Pappeln. Die problematische Konkurrenz zwischen der stofflichen (als Nahrung, Futtermittel) und energetischen Verwertung wäre vermeidbar.
Emissionsreduktionen von mehr als 100% gegenüber fossilen Kraftstoffen wären möglich, da einige potenzielle Energiepflanzen den Boden dauerhaft mit Kohlenstoff anreichern. Nach US-Studien beruht die höhere Energieausbeute aber weniger auf der höheren Menge an Ethanol als vielmehr auf der Verbrennung von Lignin, womit Prozesswärme oder sogar Elektrizität erzeugt werden kann (wie bereits heute in Brasilien durch die Verbrennung von Bagasse, dem Restprodukt der Zuckergewinnung aus Zuckerrohr).

Zwei technologische Optionen werden derzeit vor allem verfolgt. Die erste ist die Vergasung von Biomasse etwa durch das so genannte Fischer-Tropsch-Verfahren, das heute vor allem zur Erzeugung von Kraftstoffen aus Kohle in Südafrika, aber vermehrt auch in China eingesetzt wird. Aus dem erzeugten Gas werden in einem zweiten Schritt flüssige Kraftstoffe synthetisiert. Die zweite Option ist die biochemische Freisetzung der Zuckermoleküle der Zellulose, die dann wie heute durch Gärung in Ethanol verwandelt werden.
Hier besteht das Problem darin, dass die Zellulose in anderen Polysacchariden (Hemizellulose) und in Lignin (für die Verholzung verantwortlich) „verpackt“ ist, die zuerst beseitigt werden müssen. Diese Verfahren sind zum Teil zu energieintensiv und die geeigneten Enzyme zu teuer. Nun wird einerseits versucht, effizientere Enzyme, Pilze und Bakterien zu finden, andererseits auch Pflanzen zu entwickeln, die einen geringeren Gehalt an Lignin aufweisen und/oder schneller wachsen. Bei den zahlreichen Forschungs- und Demonstrationsprojekten, meist von Öl- oder Chemiekonzernen, werden dabei überwiegend gentechnische Ansätze verfolgt. Es gibt aber auch Wissenschaftler, die es für zielführender halten, die immense natürliche Vielfalt nach geeigneten Baumvarianten zu durchforsten.

Zumindest gegen jenen Strang der Technologien, der zum Anbau transgener Pflanzen führen könnte, existiert ein gewichtiges Argument – die schwer kalkulierbaren Risiken einer Anwendung der Gentechnik in der Land- und Forstwirtschaft. Das gilt aber nicht für Verfahren, die ohne Gentechnik auskommen, und nicht für die Biomassevergasung. Mit Förderungen wird zumal in den USA derzeit offenbar alles bedacht, was Aussicht auf Erfolg hat. Zwei der sechs US-Projekte, die Anfang des Jahres mit zusammen fast 400 Mio. US-Dollar gefördert wurden, setzen auf Biomassevergasung, eines auf eine Kombination aus beiden Technologien. In der EU existieren drei Pilotprojekte für biochemische Verfahren in Schweden, Spanien und Dänemark, in Deutschland u.a. ein Demonstrationswerk auf Basis des Fischer-Tropsch-Verfahrens.
Die Erwartungen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit aller dieser Verfahren gehen weit auseinander. Manche KritikerInnen glauben (oder wünschen), dass es nie dazu kommt; Shell Oil rechnet in fünf bis zehn Jahren damit, Vinod Khosla von Khosla Ventures, einer der prominentesten Unterstützer neuer Biotechnologien in den USA, sagte im März die Wettbewerbsfähigkeit von Zellulosetechnologien bereits für 2009 voraus.

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