Der Fluch der grünen Scheine

Von Knut Henkel · · 2013/10

Im Juli 1993 verkündete Fidel Castro die Legalisierung des US-Dollars in Kuba. Bis heute gibt es auf der Insel zwei Währungen – eine schwache und eine starke.

26. Juli 1993: Auf den Fernseh-Auftritt ihres Staatschefs an diesem Tag haben viele Ku-banerInnen lange gewartet. Die Wirtschaft der Insel ist nahezu paralysiert, auf den Märkten gibt es kaum mehr Produkte für die Nationalwährung, den Peso nacional. Einzig die für DiplomatInnen und TouristInnen gebauten Devisensupermärkte sind noch gut sortiert. Dort gilt der US-Dollar und gewöhnliche KubanerInnen haben keinen Zutritt. Ein Großteil der Bevölkerung hofft auf Veränderung in Kuba. Fidel Castro, der Comandante en Jefe, der Oberbefehlshaber, spricht im Fernsehen über die schwierige wirtschaftliche Situation, über schmerzhafte Maßnahmen und über die Legalisierung von Devisen. Die Legalisierung des US-Dollars, die er an diesem Abend verkündet und von der sich viele ökonomischen Fortschritt und mehr Freiheiten versprechen, macht Kuba zu einer Insel mit zwei Währungen: einer schwachen und einer starken.

In der schwachen Währung werden die beim Staat angestellten KubanerInnen, also fast alle, bezahlt. Die starke Währung versucht man zu ergattern, um rare Produkte wie Zahnpasta, Deodorant oder Kleidung kaufen zu können. Diese Produkte sind fast ausschließlich in den Devisenshops der Regierung gegen US-Dollar zu bekommen.

Zwanzig Jahre später hat sich daran nichts Wesentliches geändert. Nur wurde 2004 der US-Dollar durch den Peso convertible (CUC), den Devisenpeso, ersetzt. Dadurch ist die folgenreiche Zweiteilung des Währungssystems nicht ganz so offensichtlich. „Die Legalisierung des US-Dollars hat die Gesellschaft in einen Teil mit und einen Teil ohne Dollarzugang gespalten. Diejenigen mit Familienangehörigen im Ausland, die Geld schicken, sind im Vorteil“, erklärt der Ökonom Omar Everleny Pérez Villanueva von der Universität Havanna. Die schwarze Bevölkerung, einst mit den Frauen Gewinner der Revolution, ist heute benachteiligt. Schwarze haben kaum oder deutlich seltener als die weiße Bevölkerung Familie im Ausland. Devisentransfers aus Miami, Madrid oder Caracas haben sie meist genauso wenig zu erwarten wie viele RentnerInnen.

Juan Elías Navarro weiß nur zu gut, wie sich das auswirkt. Der 51-Jährige hat sich 1993 viel von der Legalisierung des US-Dollars versprochen und sich kurz nach der Verkündung der Maßnahme als Privatunternehmer selbständig gemacht. Doch mangels Investitionskapitals war zwei Jahre später schon wieder Schluss. „Jetzt träume ich von einem kleinen Restaurant. Doch um das aufzubauen, brauche ich wieder Kapital. Jetzt koche ich ohne offizielle Lizenz und verkaufe die Gerichte an die Nachbarn“, erklärt er. In der kleinen Küche seines Hauses ist es heiß. Draußen auf der von Pflanzen eingefassten Terrasse sitzen Gäste, für die er gerade Schweinefleisch mit Knoblauch in der Pfanne brät. Viele der Zutaten wie Speiseöl, Milch oder Mehl muss er genauso wie Spülmittel im Devisensupermarkt einkaufen. Dafür ist der Gang zur Wechselstube nötig. Dort kann er zum fixierten Kurs von 25:1 kubanische Peso gegen Peso convertible (CUC) tauschen.

„So komme ich auf keinen grünen Zweig“, klagt Navarro, der gemeinsam mit seiner Frau gerade so über die Runden kommt.
Die Existenz der parallelen Pesos hat Auswirkungen auf die Lebensrealität vieler KubanerInnen. Der Kofferträger, der durch Trinkgelder mehr verdient als ein hochspezialisierter Arzt, ist dafür ein gern zitiertes Beispiel.

Mit dem Widerspruch der doppelten Währung lebt die Insel seit nunmehr zwanzig Jahren. Doch das könnte sich bald ändern, meint der Wissenschaftler Everleny Pérez Villanueva: „Die Währungsreform ist im Reformprogramm der Regierung enthalten und heute gibt es im Gegensatz zur Situation 1993 eine ganz andere Dynamik. Der private Sektor hat sich entwickelt, nun müssen wir auch in anderen Sektoren produktiver werden.“ Er hofft, dass es bereits 2015 zum Ende der doppelten Währung kommt – wenn die staatlich dirigierten Wirtschaftssektoren bis dahin genug produzieren. 

Der Autor ist Politikwissenschaftler und freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik und lebt in Hamburg.

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