Kein Spielzeug für die Arbeiterinnen

Von Christina Schröder · · 2007/12

Mitarbeiterinnen von Südwind Entwicklungspolitik demonstrierten vor Hongkongs Disneyland gegen Arbeitsrechtsverletzungen in der chinesischen Spielzeugindustrie.

Wenn bei uns Barbiepuppen und Disneyfiguren auf den Briefen ans Christkind stehen, haben die chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die die Spielzeuge produzieren, die stressigste Zeit im Jahr gerade hinter sich. In den Sommermonaten, wenn bei uns noch kein Mensch an Weihnachten denkt, schuften sie bis zu 400 Stunden im Monat ohne freien Tag. Die Überstunden, die sie für die europäischen KonsumentInnen geleistet haben, werden aber auch im Dezember nicht auf ihren Lohnzetteln aufscheinen.
Obwohl das chinesische Arbeitsrecht eine 40-Stunden Woche, Sozialversicherung und eine beschränkte Zahl an Überstunden vorsieht, halten sich neun von zehn Fabriken in China nicht daran. Auch die Zahlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohns wird häufig durch geschicktes Manövrieren mit Überstunden und durch fehlende Arbeitsverträge umgangen.
Noch dazu sind die Arbeitsbedingungen wegen des Einsatzes giftiger Farben und Lacke oft gesundheitsgefährdend. Den Preis dafür zahlen die Zigtausenden WanderarbeiterInnen das ganze Jahr über. Auf der Suche nach Arbeit kommen viele nach Guangdong, der Provinz im Süden Chinas, wo 80 Prozent des in Österreich verkauften Spielzeugs produziert werden.
Die Rückrufaktionen von Spielwaren aus China in den letzten Monaten haben gezeigt, mit welchen Mitteln chinesische Subunternehmen von großen europäischen und US-amerikanischen Konzernen arbeiten, um dem Preisdruck am Weltmarkt standzuhalten. Spielzeug aus China kann also gefährlich sein. Seine Herstellung ist es auf jeden Fall. Grund genug für das Aktionsteam von Südwind Entwicklungspolitik, im Rahmen des Programms „Handeln für Eine Welt“ nach China zu reisen, um sich selbst ein Bild von den Missständen in der chinesischen Spielzeugindustrie zu machen.

Auf Einladung der Organisation SACOM, einer Nonprofit-Organisation, die sich von Hongkong aus für die Arbeitsrechte in der chinesischen Spielzeug- und Bekleidungsindustrie stark macht, nahmen die Südwind-Aktivistinnen auch an einer Protestkundgebung gegen erwiesenermaßen unbezahlte Überstunden und überlange Arbeitszeiten bei einem Disney-Zulieferbetrieb teil.
Jim Leung, regional Verantwortlicher für Disneys Arbeitsstandards-Programm, ist sich bei einem Treffen in Hongkong mit den Südwind-Mitarbeiterinnen allerdings keiner Schuld bewusst. Es gäbe zwar seit zehn Jahren einen Verhaltenskodex bei Disney, doch dürfe der nur als Richtlinie für die ProduzentInnen von Disney-Produkten gesehen werden. Es hätte im konkreten Fall Probleme gegeben, man hätte die Sache aber dem Arbeitsgericht übergeben. Man tue natürlich alles und noch viel mehr, um die ArbeiterInnen nicht auszubeuten, aber manchmal läge die Schuld einfach an den Zulieferbetrieben. Da die Angelegenheit jetzt bei Gericht ist, könne Disney da nichts mehr machen.

SACOM hat gegen diese fadenscheinigen Ausreden unter anderem eine Online-Petition zu Disney gestartet, bei der KonsumentInnen ihrem Ärger Luft machen können. „Was die Arbeiterinnen und Arbeiter sicher nicht wollen, ist Boykott. Solange es keine wirklich verlässlichen Kodizes und Zertifizierungen gibt, hilft nur, Petitionen zu unterschreiben, Nachfragen und Druck zu machen. Im Geschäft und bei der Herstellerfirma, das ganze Jahr über“, schließt Nora Holzmann vom Südwind-Aktionsteam, denn „menschenwürdige Arbeitsbedingungen dürfen kein Charity-Akt oder Weihnachtsgeschenk sein. Sie müssen zur Selbstverständlichkeit werden.“

Petition siehe
www.petitiononline.com/wlchan/petition.html
weitere Infos auch auf
www-suedwind-agentur.at

Die Autorin ist Mitarbeiterin von Südwind-Entwicklungspolitik und nahm an der Reise nach Hongkong teil.

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