Retourware mit Seele

Von Irmgard Kirchner · · 2002/05

Die Urteile im Omofuma-Prozess sind eines den Menschenrechten verpflichteten Rechtsstaates unwürdig.

Da können gescheite Köpfe sich das Hirn wund denken angesichts der Erkenntnis, dass im Zeitalter der Globalisierung „Kultur“ und „Werte“ nicht mehr klar festzumachen, modisch gesprochen zu „verorten“ sind. Es gibt einen Kristallisationspunkt, an dem eine Gesellschaft festschreibt, was sie für schützenswert hält: das Rechtssystem.
Und daher sind Gerichtssäle ein vortrefflich geeigneter Ort, den Zustand unserer Gesellschaft, ihre Befindlichkeit zu studieren.
Daher ist das Urteil in erster Instanz im Omofuma-Prozess nicht so schnell abzuhaken (nicht nur deswegen, weil der Staatsanwalt Berufung eingelegt hat), wie das die Mainstream-Medien tun.
Zur Erinnerung: Vor etwas mehr als zwei Wochen wertete das Gericht die Vorkommnisse bei der Abschiebung des Schubhäftlings Marcus Omofuma als „fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Umständen“. Das (geringe) Strafmaß stellt außerdem sicher, dass die drei Polizisten, denen die Anklage „Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge“ vorwarf, weiterhin als Hüter von Recht und Ordnung tätig sein dürfen.
Die Urteile im Omofuma-Prozess sind eines den Menschenrechten verpflichteten Rechtsstaates unwürdig. Der Tod des Afrikaners wird durch den Urteilsspruch zu einer Art Betriebsunfall erklärt. In einem Betrieb, der nicht ganz genau so wie bisher, aber ganz ähnlich weitergehen wird.

Vor Gericht standen die drei Beamten und nicht das System, das sie exekutierten. Sie meldeten sich zu diesem Abschiebe-Dienst vermutlich nicht aus persönlicher (fremdenfeindlicher) Überzeugung sondern vielleicht mit Blick auf lukrative Zulagen, die für diese „Arbeit“ ausbezahlt werden.
In einem geistigen Milieu, im dem sich ein berufsbedingter Tunnelblick einstellt. Der Schubhäftling als „Retourware“: Sendung nicht angenommen.
Ein paar Tage nach dem Omofuma-Urteil gingen Berichte über Flüchtlingsmisshandlungen in Australien durch die Medien: Ein mit irakischen und afghanischen Flüchtlingen überfülltes Boot sei unter Einsatz von elektrischen Schlagstöcken und Pfefferspray zur Rückkehr nach Indonesien gezwungen worden. Dabei seien einige Flüchtlinge ums Leben gekommen.

Wovor fürchten wir BewohnerInnen der reichen Länder uns so sehr? Im wahrsten Sinn des Wortes zu Recht lassen wir Serienmördern und Kinderschändern Rechtsschutz und körperliche Unversehrtheit angedeihen. Doch die Ausübung von tödlicher Gewalt gegen Menschen, deren einziges „Vergehen“ darin besteht, gegen unseren Willen unser Territorium betreten zu wollen, wird als eine Art Betriebsunfall in Ausübung der Berufspflicht hingenommen.
Mehr Angst als vor den angeblich an unsere Festungsmauern brandenden Wellen von Flüchtlingen habe ich vor dem Verlust des grundlegenden menschlichen Mitgefühls, der zur Routine wird. Davor, dass Menschen einem anderen ins Gesicht sehen und darin den Menschen nicht mehr erkennen.

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