Nachgefragt bei Doro Blancke, die sich in Griechenland für Geflüchtete einsetzt

Von Christina Schröder · ·
Portrait von Doro Blancke

In letzter Zeit wurde kaum noch über die Menschen berichtet, die vor allem aus Syrien und Afghanistan nach Europa fliehen und auf den griechischen Inseln ankommen. Ihre  Situation in den Lagern wird immer prekärer. Doro Blancke, die sieben Monate im Jahr mit ihrem Team vor Ort auf Lesbos lebt, hat Christina Schröder am Telefon von brutalen Push Backs, politischen Spielen und ihrem Einsatz erzählt. 

Seit knapp fünf Jahren leisten Sie mit ihrem Verein Hilfe für die Menschen, die übers Mittelmeer kommen und in Griechenland Asyl beantragen. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Die Gewalt steigt immer weiter und die Push Backs werden brutaler. Zum Beispiel werden die Boote, auf denen die Menschen kommen, von der Küstenwache verfolgt und so manövriert, dass sie öfters kentern. Und dann gehen Menschen unter, einfach so. Vor den Augen der Küstenwache sind neulich erst wieder acht Menschen ertrunken, zwei von ihnen waren Kinder.

Und auf politischer Ebene?
In den vergangenen fünf Jahren gab es vier Außenminister in Griechenland – der aktuelle kommt aus dem rechten Spektrum. 30 Tage nach der Asylentscheidung müssen die Menschen nun die Lager verlassen und sind ab da vollkommen auf sich allein gestellt – ohne irgendeine rechtliche oder materielle Absicherung. Gleichzeitig werden diejenigen, die es schon nach Österreich oder Deutschland geschafft haben, zunehmend hierher zurückgeschickt. Die Folge dieses grausamen politischen Spiels ist eine steigende Obdachlosigkeit und große Verzweiflung.

Wie sieht es aktuell im Lager auf Lesbos aus?
Derzeit sind hier über 1.600 Menschen, mehr als die Hälfte davon sind Frauen und Kinder. Es gibt zwar stabilere Zelte und Container, in die jedoch bis zu zehn Menschen reingepfercht werden. Was fehlt sind Aufenthaltsräume, Schutz vor Hitze, Regen und Kälte. Im Winter gab es zu wenige Decken. Die Menschen haben keine Möglichkeit ihre Wäsche zu trocken und bekommen nur eine Mahlzeit am Tag, in teils desolater Plastikverpackung. Immer wieder sind da Maden drinnen.
Ich verstehe, dass die Medien über die Situation der Menschen in Gaza oder der Ukraine berichten. Aber warum so viel über Trump und seine Asylpolitik, wenn die EU hier auch so versagt?

Was macht die EU hier – oder was macht sie nicht?
Tatsächlich wird seid einigen Jahren mit EU-Geldern ein Lager auf Lesbos gebaut. Allerdings mitten im Wald – und wenn dort ein Brand ausbricht, was in den heißen Sommermonaten ja immer wieder passiert, könnte niemand den Flammen entkommen. Es fehlt an ausreichend Löschwasser und an Evakuierungswegen. Das hat jetzt sogar ein Gericht bestätigt und die Bauarbeiten gestoppt!

Und wie unterstützen Sie und andere NGOs die Menschen hier konkret?
Wir tun, was wir mithilfe von Spendengeldern umsetzen können. Ohne die würde alles hier zusammenbrechen. Unser Verein finanziert Rechtsberatungen, Sprachkurse, ein Frauenhaus. Und: Wir kümmern uns um rund 200 besonders vulnerable Menschen, die den Aufenthalt im Lager nicht überleben könnten – etwa Krebspatient:innen oder kranke Frauen mit Kindern. Diese Menschen bekommen Unterkünfte außerhalb sowie Lebensmittelpakete, mit denen sie sich jeden Tag eine Zusatzmahlzeit kochen können. Leider steigen die Preise auf der Insel so massiv, dass u.a. deswegen auch viele Einheimische die Insel verlassen. Das ist auch traurig, aber die haben zumindest die Möglichkeit, anderswo zu arbeiten.

Gibt es auch Erfreuliches? Etwas, das Ihnen und Ihrem Team Kraft zum Weitermachen verleiht?
Doch, auf verschiedenen Ebenen. Zum Beispiel, die Tatsache, dass nach einem sogenannten Schiffsunglück, bei dem rund 600 Menschen ertrunken sind, erstmals die mutmaßlichen Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Oder dass der in erster Instanz negativ beurteilte Asylantrag eines Folteropfers neu bearbeitet wurde – mit positivem Ergebnis. Einem anderen konnten wir tatsächlich einen Studienplatz vermitteln. Und als Verein freuen wir uns, dass wir gerade das Spendengütesiegel erhalten haben. All das zeigt, wie wichtig es ist, hier zu sein und dranzubleiben. Es geht um nicht weniger als Menschenleben.

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