Afroösterreichische Geschichte sichtbar machen

Von Minitta Kandlbauer · ·
Ein Weg im dritten Wiener Bezirk zwischen Oberer Weißgerberstraße und dem Weißgerberufer am Donaukanal wurde 2013 nach Angelo Soliman (1721–1796) benannt. © Wikimedia Commons

Der Februar ist alljährlich Schwarzer Geschichte und Gegenwart gewidmet. Seit einigen Jahren findet der Black History Month auch in Österreich mehr Aufmerksamkeit.

Von Minitta Kandlbauer

Es ist Black History Month und immer mehr Organisationen und Menschen in Österreich feiern mit. Doch mit der wachsenden Popularität mehren sich auch die Fragen: „Warum soll man den Black History Month in Österreich feiern? Das kommt doch aus den USA und hat mit österreichischer Geschichte nichts zu tun! Schwarze Menschen leben doch noch nicht so lange hier.“

Solche Reaktionen sind ein Zeichen dafür, dass Schwarze Menschen in Österreich gleichzeitig unsichtbar und hypersichtbar sind. Denn während viele so tun, als wären Schwarze Menschen erst seit den 1980ern hier, wird die Hautfarbe von Schwarzen Menschen im Alltag ständig und überall zum Thema gemacht.

Auch heute noch machen Leute große Augen, wenn man als gebürtige Afroösterreicherin im Dirndl zum Oktoberfest geht und in Waldviertler Mundart ein Bier bestellt.

Dass Schwarze Menschen auffallen, aber selten als Teil der österreichischen Gesellschaft wahrgenommen werden, hat damit zu tun, dass man nur über sie redet, wenn es um Rassismus geht. Dabei leben Schwarze Menschen in Österreich schon seit Jahrhunderten und haben dieses Land mitgeformt. Wer die Namen Angelo Soliman und Marcus Omofuma also noch nicht kennt, sollte dieses Jahr den Black History Month mitfeiern. 

Wie es zum Black History Month kam

Entstanden ist der Black History Month um 1926 in den USA. Der Historiker Carter G. Woodson versuchte, durch die Aktionswoche „Black History Week“ die Kultur und Errungenschaften von Schwarzen Amerikaner:innen in den USA zu würdigen. Inzwischen findet der Black History Month jeden Februar statt. Schwarze Kämpfer:innen wie Martin Luther King, Malcom X und Rosa Parks sind zu dieser Jahreszeit in den Medien omnipräsent. US-amerikanische Schulen beschäftigen sich mit der Geschichte der Versklavung und Museen stellen die Kunst von afroamerikanischen Menschen aus. Auch Magazine und Unternehmensportale springen gerne auf den Black-Pride-Zug auf und berichten über die Leistungen von Schwarzen Menschen in den USA.

Doch was hat das alles mit Österreich zu tun? Tatsächlich haben sich die Errungenschaften und Freiheitskämpfe von Black Americans auch auf die Lebenswelten von Afroösterreicher:innen ausgewirkt. Zuletzt geschah das durch die Black Lives Matter-Bewegung und die Ermordung des US-Amerikaners George Floyd. Als Reaktion auf die Ungerechtigkeiten gingen 2020 fast 100.000 Menschen in Österreich auf die Straße, um gegen Rassismus zu protestieren.

So wurde 2020 auch zu einem historischen Jahr für die Schwarze Community in Österreich. Zum ersten Mal erwachte ein breites Interesse der Medien an den Lebensrealitäten von Afroösterreicher:innen. Viele Schwarze Aktivist:innen nützten das neue Rampenlicht, um auf die Missstände im eigenen Land aufmerksam zu machen. In Folge gründeten sich neue Organisationen und Bewegungen wie Black Voices – das erste Antirassismus-Volksbegehren in Österreich, DISRUPT – ein Verein, der Antirassismusworkshops in Schulen anbietet, oder ADOE – Ein Safe Space für Menschen der afrikanischen Diaspora. Aber auch Vorreiter:innen wie Simon Inou, Vanessa Spanbauer, die Vereine IDB, Afrieurotext, Wir sind auch Wien und die Schwarze-Frauen-Community bekamen für ihre wertvolle Arbeit Aufmerksamkeit. 2020 wurde auch zum Jahr, in dem die erste Schwarze Frau – Mireille Ngosso – in den Wiener Gemeinderat gewählt wurde.

Wer also den Mut Schwarzer Menschen im Kampf gegen Rassismus sichtbar machen möchte, muss nicht erst nach Amerika schauen. Auch in Österreich haben Schwarze Menschen Geschichte geschrieben.

Suche nach afroösterreichischem Selbstverständnis

Anti-Schwarzer-Rassismus ist ein Problem in Österreich. Ein Beweis dafür ist das Scheitern des Black Voices-Volksbegehrens im September 2022. (Mehr dazu, wie der Kampf gegen Diskriminierung jetzt weitergeht, lesen Sie hier) Trotzdem sollte es im Black History Month nicht nur um das Thema Rassismus gehen. Afrikanische Geschichte gab es auch schon vor dem Kolonialismus und Schwarze Menschen prägen heute alle Lebensbereiche von der Medizin bis zur Kulturszene.

Den Black History Month zu begehen bedeutet zuallererst, die Kultur und Beiträge von Schwarzen Menschen in Österreich mitzuerleben.

Wie wäre es also mit einem Abstecher zum Pop-Up von Dampha Kitchen, einer African-Fusion-Küche? Oder mit einer guten Lektüre über das Leben von Afroösterreicher:innen? Die Bücher „Für alle, die hier sind“ und „Let me be Christl Clear“ sind dazu bei Kremayr & Scheriau erschienen. Wer sich für Mode interessiert, kann bei „Kids of the Diaspora“ vorbeischauen oder sich Modeberatung von der Influencerin Bold Sarah abholen.

Auch sonst gibt es online viel zu erleben: Plattformen wie Freshzine, AfricaanDivaa, Melanin Talk und Re-Define Racism informieren auf Instagram regelmäßig über Schwarze österreichische Kultur. Für den österreichischen Black History Month sind außerdem über 30 Veranstaltungen in Österreich geplant. Die Plattform BlackAustria.Info postet Events und Workshops.

Der Black History Month wird dieses Jahr auch hierzulande groß gefeiert. Für Österreich ist es eine Chance, mit der Schwarzen Community in Kontakt zu treten und Österreichs afrikanische Seite kennenzulernen. Im besten Fall führt das dazu, dass Schwarze Menschen das ganze Jahr über in Österreich sichtbar werden.

Minitta Kandlbauer © Lena-Katharina Krausz

Minitta Kandlbauer ist Germanistin und Mitherausgeberin der Antirassismushandbuches War das jetzt rassistisch? 22 Antirassismustipps für den Alltag, erschienen 2022 bei Leykam. Sie arbeitet als Fotografin und Buchgestalterin in Wien.

Noch ein Buchtipp aus der Redaktion: Über die Geschichte der sozialen Exklusion und politschen Entrechtung Schwarzer Menschen in Österreich – vom 13. Jahrhundert bis heute – hat der Historiker Walter Sauer ein beeindruckendes Buch geschrieben: Jenseits von Soliman. Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich – eine Geschichte. Mit einem Beitrag von Vanessa Spanbauer. (Studienverlag, Wien 2022, 272 Seiten, € 36,90).

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