Angolas unendlicher Krieg

Von Kordula Dörfler · · 1999/01

In dem südwestafrikanischen Staat ist Ende letzten Jahres der Bürgerkrieg wieder voll aufgeflammt. Mittlerweile geht er über interne Landesinteressen hinaus und ist Teil des zentralafrikanischen Regionalkonfliktes geworden.

In der Stadt Malange herrscht Panik. Jeden Morgen werden die BewohnerInnen von Geschützdonner und einschlagenden Granaten geweckt. Lebensmittel und Wasser sind knapp. Normalerweise leben etwa 50.000 Menschen in der Stadt, jetzt sind es mindestens drei Mal so viele, und der Flüchtlingsstrom aus dem Umland reißt nicht ab.

Wie viele Tote und Verletzte es bereits gegeben hat, weiß niemand genau, seitdem die angolanischen Rebellen von Jonas Savimbis Unita die Stadt belagern.

Nicht besser geht es den Menschen in Kuito und Huambo etwas weiter südlich. Beide Städte haben sich noch lange nicht von den Zerstörungen des Krieges im Jahr 1993 erholt. Jetzt herrscht wieder Krieg in Angola. Hunderttausende sind auf der Flucht.

Fast fünf Jahre ist es her, daß mit dem „Protokoll von Lusaka“ einer von Afrikas blutigsten Kriegen beendet werden sollte. In der sambischen Hauptstadt verpflichteten sich die angolanischen Bürgerkriegsparteien im November 1994 zum Schweigen der Waffen und auf einen mehrstufigen Friedensprozeß.

Nach mehr als 30 Jahren Krieg, zuerst gegen die portugiesischen Kolonialherren, dann ein blutiger Bürgerkrieg mit tatkräftigter Unterstützung der damaligen Großmächte, sollte das Land im Südwesten Afrikas endlich zur Ruhe finden. Mehr als eine Million Menschen waren umgekommen, ebenso viele auf der Flucht. Noch heute liegen etwa 12 Millionen Landminen in der fruchtbaren Erde vergraben.

Die Unita-Guerillas sollten entwaffnet und in eine gemeinsame neue Armee überführt werden, und am Ende sollten im ganzen Land freie Wahlen stattfinden. Doch seit Anfang Dezember vergangenen Jahres ist der Krieg zwischen den Unita-Rebellen und den Regierungstruppen von Eduardo dos Santos erneut aufgeflammt. Die 1995 eingerichtete Uno-Mission zur Überwachung der Einigung ist gescheitert.

Zwei UN-Hilfsflugzeuge sind vor Weihnachten in der Nähe der umkämpften Stadt Huambo im Hochland (500 km südöstlich der Hauptstadt Luanda) abgeschossen worden – vermutlich von der Unita, die militärisch wieder erstarkt ist. Nur widerwillig gewährte Unita bislang überhaupt Zutritt zur ersten Absturzstelle.

Wenn UN-Generalsekretär Kofi Annan jetzt beide Seiten auffordert, sich endlich an das Waffenstillstandsabkommen zu halten, verdeckt das kaum noch die Hilflosigkeit der Vereinten Nationen vor einem erneuten Scheitern in einem afrikanischen Konflikt.

Gleichzeitig mit Annans Appellen wurden alle Blauhelme aus Kampfgebieten abgezogen und für zwei Wochen sämtliche Hilfsflüge eingestellt. Zwar hat die Uno damit öffentlich bewiesen, daß sie sich nicht alles gefallen läßt. In New York steht man nun aber vor der Erkenntnis, daß außer den Blauhelmen und der notleidenden Bevölkerung niemand in Angola wirklich Frieden will.

Mit der vorübergehenden Einstellung der Hilfsflüge hat sich die Uno in ein weiteres Dilemma befördert und am Ende direkt der Unita in die Hände gespielt. Denn den Rebellen kann es nur helfen, wenn die Menschen in den belagerten Städten verhungern. Der Verdacht, daß mit dem Abschuß der beiden Flugzeuge genau das bewirkt werden sollte, wiegt schwer. Nur wenige Tage nach Ausbleiben der Lebensmittel war klar: Den belagerten Städten droht eine erneute humanitäre Katastrophe wie schon einmal zu Beginn der neunziger Jahre. Sollte die Nothilfe ausbleiben, so warnten ExpertInnen, würde dies schon in den nächsten Tagen zu einer Katastrophe führen. Nicht zuletzt diese Warnungen haben wohl dazu geführt, daß die Flüge nun wieder aufgenommen werden.

Stattdessen will die Uno jetzt die bereits verhängten Sanktionen verschärfen. Doch auch diese Strafmaßnahmen sind zweischneidig. Denn trotz eines Flugverbots in Unita-Gebiete blüht der Diamantenschmuggel, mit dem Savimbi den Krieg finanziert, und ein Kommunikationsverbot kann Unita ebenfalls nur recht sein. Dann nämlich weiß endgültig niemand mehr, was in der von den Rebellen kontrollierten Hälfte des Landes vor sich geht. Selbst der neue UN-Sondergesandte für Angola, Issa Diallo, mußte jetzt einräumen, daß die bisherigen Sanktionen wirkunglos waren.

Faktisch bleibt das Land zweigeteilt: in Unita-Gebiete im Osten, in denen die riesigen Diamantenfelder liegen, und das Regierungsgebiet rund um Luanda. Der Forderung, die eroberten Gebiete zurückzugeben, ist Unita nur zögernd nachgekommen. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Friedensprozeß, der um Jahre verspätet und ohnehin schon von Kampfhandlungen überschattet war, zusammengebrochen.

Weder Savimbi noch Dos Santos sind wirklich an einer politischen Aussöhnung interessiert. Das Land ist vom Bürgerkrieg zerstört, Bildungs- und Gesundheitswesen zusammengebrochen. Aufgaben, die eigentlich der Staat übernehmen sollte, werden allzu bereitwillig den internationalen Hilfsorganisationen überlassen, während dos Santos seinen eigenen Interessen in der Region nachgeht.

Zwar sitzen die einstigen Bürgerkriegsparteien seit knapp zwei Jahren endlich in einer gemeinsamen Koalitionsregierung nach südafrikanischem Vorbild. Auch die 70 Unita-Abgeordneten sind endlich nach Luanda gezogen, um ihre Mandate wahrzunehmen. Savimbi indessen weigert sich nach wie vor, Luanda auch nur zu betreten, und verschanzt sich in seiner Hochburg Bailundo, ebenfalls im Hochland. Trotz gegenteiliger Absichtserklärungen weigerte sich der unberechenbare Rebellenchef am Ende, das ihm angebotene Amt des Vize-Präsidenten einzunehmen.

Zwar sind seit vergangenem Jahr auch endlich wieder Parteien zugelassen – und damit politische Aktivitäten jeder Art. De facto droht allerdings bislang lediglich eine Spaltung von Unita, denn vor allem der nun in Luanda ansässigen Fraktion der Bewegung paßt Savimbis Kurs schon lange nicht mehr.

Wirklich geschwächt würde der 63jährige damit vermutlich nicht. Auch die Veränderung der geopolitischen Landkarte in Zentralafrika konnte ihm letztlich nichts anhaben, obwohl Dos Santos das gehofft hatte. Mit dem Fall von Zaires Diktator Mobutu Sese Seko im Mai 1997 hatte Savimbi zwar vorerst seinen letzten Verbündeten verloren. Der versorgte ihn während des Bürgerkrieges mit Waffen und Lebensmitteln und hielt ihm die Schmuggelwege für Diamanten offen.

Mobutus Nachfolger Laurent Kabila hat keinerlei Sympathien für die rechten Rebellen im Nachbarland. Zu Tausenden strömten Unita-Truppen, die im zairischen Bürgerkrieg auf Seiten Mobutus gekämpft hatten, nach dessen Sturz zurück über die Grenze. Dort trafen sie auf Regierungstruppen von Präsident Eduardo dos Santos, der offenbar die Schwäche Savimbis ausnutzen und die Diamantengebiete unter seine Kontrolle bringen wollte.

Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Unita ist stärker, als die Regierung erwartet hatte, und stellt damit endgültig unter Beweis, die Uno über die Entwaffnung angelogen zu haben. Statt wie gehofft per Handstreich die Kontrolle über riesige Diamantenfelder zu erlangen, hat die Regierungsarmee nun den Krieg neu angefacht.

Mit Kuito, Huambo und Malanje werden drei der größten Städte des Landes von Unita belagert, und die Eroberung der Unita-Hauptquartiere Andulo und Bailundo ist bislang nicht geglückt. Mit den riesigen Vorkommen an Erdöl und Diamanten des sonst bettelarmen Landes können sowohl die Regierung als auch die Unita vermutlich jahrelang weiter Krieg führen.

Längst ist auch der Konflikt kein rein interner mehr, sondern Teil des Regionalkonflikts in Zentralafrika. Seit August vergangenen Jahres kämpfen angolanische Regierungstruppen gemeinsam mit Soldaten aus Namibia, Simbabwe und später dem Tschad auf Seiten von Laurent Kabila gegen die Rebellen in der „Demokratischen Republik Kongo“. Diese wiederum werden von Uganda und Ruanda – und Unita unterstützt.

Dabei geht es nicht nur um die politische Hegemonie in dem riesigen ausgebluteten Land, sondern vor allem um den Zugang zu seinen Bodenschätzen.

Dos Santos, dessen Armee schon im Nachbarland Kongo-Brazzaville kriegsentscheidend war, interessiert sich vor allem für die riesigen Ölfelder vor der Küste. Durch die militärische Unterstützung Kabilas hat er sich praktisch bereits die Kontrolle der Förderung erkauft. Simbabwes angeschlagener Präsident Robert Mugabe indessen hofft vor allem auf Bergwerkskonzessionen im Landesinneren.

ExpertInnen in Südafrika gehen allerdings davon aus, daß Kabila langfristig keine Chance gegen die Rebellen hat. „Alle Zusagen von heute“, so glaubt etwa Richard Cornwall am Institute for Strategic Studies (ISS) in Südafrika, „werden sich dann als Makulatur erweisen.“

Schon im vergangenen Jahr hatte der Afrika-Experte auch den Wiederausbruch des Krieges in Angola selbst vorgehergesagt. Durch den Einmarsch im Kongo sei dieser lediglich verzögert worden. Erst mit der Aushandlung eines neuen Friedensvertrages, so sagt er voraus, könnte es eine neue Chance in Angola geben.

Cordula Dörfler ist Korrespondentin für das südliche Afrika der deutschen Tageszeitung taz mit Sitz in Johannesburg

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