„Austerität schafft Arbeitsplätze und Wachstum“

Von Redaktion · · 2016/02

Austerität als Mittel zur Bekämpfung eines wirtschaftlichen Abschwungs ist völliger Humbug. Dass eine solche Politik als Reaktion auf eine Entgleisung des Finanzsystems propagiert wird, auf eine schwere Rezession, die durch riskante und oft betrügerische Praktiken privater Banken verursacht wurde, ist ein Ding der Unglaublichkeit. Nicht nur, dass die Banken für ihre Raubzüge großzügigst aus dem öffentlichen Füllhorn belohnt wurden: Die geschädigte Bevölkerung hat noch dazu gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn ihre gewählten Regierungen den Gürtel immer enger schnallen, bis einem die Luft wegbleibt.

Der Humbug wird mit dem Argument verkauft, dass es in einer Krise „eine feste Hand am Ruder“ brauche. Die politische Rechte faselt von „schwierigen Entscheidungen“ in „schwierigen Zeiten“, während die Sparmaßnahmen als „bittere Pille“ beworben werden, die wir alle zu schlucken hätten, damit sich die Wirtschaft wieder erholt. Dann werde die Wirtschaft wieder Vertrauen in die Politik gewinnen, was zusammen mit Steuersenkungen für Unternehmen den Weg für einen neuen Aufschwung eröffnen werde.

Wirtschaft leidet. Das erwünschte Ergebnis lässt allerdings weiter auf sich warten. „Seit 2010 weltweit auf einen Austeritätskurs umgeschwenkt wurde“, schreibt der Ökonom Paul Krugman, „hat die Wirtschaft in jedem Land gelitten, wo signifikante Sparmaßnahmen ergriffen wurden, und das Ausmaß stand in engem Zusammenhang mit der Härte der Sparpolitik.“ 1

Warum, ist offensichtlich. Wenn die Wirtschaft in einer Rezession steckt, Arbeitsplätze zunehmend in Gefahr geraten und Sozialleistungen gekürzt werden, werden die Menschen eher sparen und weniger ausgeben, womit sie die Stagnation verlängern. Auch die Unternehmen haben kaum Grund für produktive Investitionen, und wer im Geld schwimmt, widmet sich lieber dem Aufbau seines Vermögens und treibt nebenbei die Preise auf den Aktien- und Immobilienmärkten in die Höhe.

Wenn eine Regierung wirklich das Vertrauen wiederherstellen will, dann muss sie mehr ausgeben und nicht weniger, sie muss etwa Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor schaffen und für mehr soziale Sicherheit sorgen. Budgetdefizite sind keineswegs so schrecklich wie behauptet, denn die Zinsen liegen ohnehin praktisch bei null, und das geborgte Geld wird schließlich produktiv verwendet.

Fehlender Hausverstand. Gerade der Internationale Währungsfonds (IWF), der während der Schuldenkrise der 1980er Jahre im Tandem mit der Weltbank den Ländern des Südens eine ruinöse Sparpolitik aufgezwungen hatte, nahm sich in einer breit angelegten Studie die Sparmaßnahmen vor, die nach der Finanzkrise von 2007/2008 ergriffen wurden – mit einem wenig überraschenden Ergebnis: Austerität wirkt sich negativ auf das Wachstum aus. Wie negativ, sieht man etwa am Beispiel Griechenlands, das einer drastischen Sparpolitik unterworfen wird, entgegen dem Willen der Bevölkerung und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50 Prozent.

Kein Wunder, dass der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz 2002 Sparprogramme als „Selbstmordpakte“ bezeichnete, die die betroffenen Länder in einen „Teufelskreis aus Ausgabenkürzungen und rückläufigem Wachstum“ stürzen würden.

Aber darum geht es ja gar nicht – mit der Austeritätspolitik werden bloß ideologische Ziele verfolgt, wie das Transnational Institute, ein alternativer Thinktank, Anfang 2013 betonte: „Wirtschaftliche und politische Eliten nutzen sie nur als Vorwand, um den Neoliberalismus zu verankern und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die der Macht der Konzerne im Wege stehen, darunter die Arbeitsrechte und einen Großteil des Sozialstaates.“ 2 Was Austerität gebracht hat, war eine Zunahme der Ungleichheit, da die Regierungen die Sozialleistungen gekürzt und vergeblich auf die großen Konzerne gesetzt haben anstatt auf die kleinen und mittleren Unternehmen. Auf politischer Ebene herrscht weiterhin derselbe Diskurs: In schwierigen Zeiten braucht es harte Maßnahmen; Leistung muss sich wieder lohnen, den „Faulenzern“ wird der Kampf angesagt. Alles bloß ein ausgemachter Schwindel, auf den aber große Teile der Bevölkerung hereinfallen, auch wenn es keinerlei Hinweise dafür gibt, dass das alles überhaupt funktioniert.

Dinyar Godrej

Copyright New Internationalist

1)    „The austerity delusion“, The Guardian, 29. April 2015, theguardian.com/business/ng-interactive/2015/apr/29/the-austerity-delusion

2)    Joseph Zacune, Privatising Europe, TNI Working Paper, März 2013, tni.org/files/download/privatising_europe.pdf

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