„Chico César“ Weltmusiktipp

Von Wolfgang Kos · · 2000/10

Putumayo Artists PUTU 170-2 (Österreichvertrieb Hoanzl)

Der Bossa-Nova der späten 50-er Jahre war, trotz aller Flauschigkeit, purer Modernismus: kühle Reduktion nach dem Motto „less is more“. Dann, zehn Jahre später, die Rebellion gegen die fein geschwungene Bossa-Moderne – die „Tropicalismo“-Bewegung, die den Anschluss an globale Ströme wie Beat, Rock und Hippietum suchte: Popmusik als wildes Konglomerat der Stile, rückübersetzt ins Lokale – Multikulti als brasilianisches Prinzip. Jeder Künstler muss sich, so die Botschaft der Musiker-Generation Gil/Nascimento/Veloso, immer wieder neu erfinden, wobei alles mit fast allem verschnitten werden kann. Die brasilianische Musica Popular ist seither eine gigantische Umwälzanlage, die nie zur Ruhe kommt. Stile, Rhythmen, regionale und internationale Klangfarben gehen permanent neue Verbindungen miteinander ein. Diese Dynamik macht es externen Beobachtern (wie mir) so schwer, die brasilianische Szene zu kapieren. Und die Künstler müssen ziemlich gewitzt und erfindungsreich sein, um im Schwall der Möglichkeiten ein eigenes Profil zu entwickeln. Chico César scheint das gelungen zu sein. Jedenfalls gilt der exzentrische Sänger und Liedschreiber in Brasilien als eine der großen Entdeckungen der 90-erJahre. Da sich das international kaum herumgesprochen hat, brachte der Weltmusik-Händler Putumayo nun eine Kompilation mit Musik der Jahre 94 – 97 heraus.

Chico César kam 1964 als siebtes Kind eines Landarbeiters und einer Wäscherin im staubigen Nordosten Brasiliens zur Welt, in Paraiba. Wie viele Nordostler verschlug es ihn nach Sao Paolo, wo er Journalist war, bevor er sich auf die Musik konzentrierte. Der quirlige Mann mit dem runden Engelsgesicht, der einen senkrecht nach oben stehenden Haarschopf als optisches Wahrzeichen und gerne üppige Fantasy-Afro-Kleider trägt, stellt eine typisch brasilianische Mischung aus Volkstümlichkeit und Massenkompatibilität einerseits und subersiver Avantgarde-Haltung andererseits dar. So wahnwitzig vielfältig seine Musik sein kann, es gibt doch ein paar wiedererkennbare Wurzeln: die fetzige Forró-Volksmusik des Nordostens, das Rumoren der afrikanischen Trommeln, der aus der Karibik angeschwemmte Reggae. Folklore wird raffiniert adaptiert, international Aktuelles wie Hip-Hop wird volksmusikantisch eingemeindet.

P.S. Eben erschien auch – auf Universal – eine neue CD („Mama Mundi“): Stilistische Kontextwechsel von Stück zu Stück. Hohe Motorik. Brillante Lieder, gut gekleidet.

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