Der Dämon in uns

Von Michael Schwarz · · 2007/09

Sabahattin Ali

Roman. Aus dem Türkischen von Ute Birgit Knellessen. Unionsverlag, Zürich 2007, 347 Seiten, € 19,90

Ömer, ein Philosophiestudent anfang zwanzig, zweifelt am Sinn des Lebens. Ein lebensfeindlicher Dämon (Türkisch: Teufel) besetzt ihn immer wieder. Auch sein Professor kann keine erlösende Antwort geben. Obschon er das Leben satt hat, findet er nicht einmal die Kraft, sich selber das Leben zu nehmen.
Doch mit einem Mal verändert sich alles. Auf einer Schifffahrt über den Bosporus entdeckt er eine junge Frau, in die er sich sofort verliebt. Es ist Macide, eine Musikstudentin. Einige Tage später ziehen die beiden zusammen, ohne sich richtig zu kennen, und geben sich als Ehepaar aus. Ömer geht wieder einer geregelten Arbeit nach, aber das Geld reicht nirgends hin. Da tauchen die alten Kaffeehausfreunde auf und Ömer gelangt in ihren Einfluss. Dabei scheint er Macide zu vergessen. Finanzielle Unregelmässigkeiten, politische Diskussionen und ein ausschweifendes Nachtleben bringen das Gleichgewicht durcheinander. Der Dämon meldet sich zurück und die Katastrophe ist unausweichlich.
Die Geschichte, die Sabahattin Ali berichtet, spielt um 1923, in einer Zeit also, in der das 600 Jahre alte osmanische Reich zusammenbricht und sich in den Wirren des Zerfalls eine neue Gesellschaft und ein neuer Staat bilden.
Beim Lesen des sprachlich und erzählerisch eindrucksvollen Romans fühlt man sich an russische Literatur des 19. Jahrhunderts und an die Zeit des französischen Existentialismus erinnert, indem das Innenleben der beiden Hauptfiguren sehr detailliert und gekonnt wiedergegeben wird. Gleichzeitig vermittelt das Buch auch einen Eindruck der Menschen und der Stadt Istanbul zur damaligen Zeit.
Heute gehört das 1940 erschienene Buch zur klassischen Literatur der Türkei. Da kann man sich nur wundern, dass es 67 Jahre dauerte, bis das Werk auf Deutsch veröffentlicht werden konnte. Dass das möglich wurde, ist wiederum ein großes Verdienst der Reihe Türkische Bibliothek des Unionsverlags.
Sabahattin Ali kam 1907 im heutigen Nordgriechenland zur Welt. Er studierte in Deutschland, zog dann aber wieder nach Istanbul zurück. Hier saß er mehrmals im Gefängnis. 1948 versuchte er nach Bulgarien zu fliehen, wurde aber unter bis heute ungeklärten Umständen getötet.

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